Süddeutsche Zeitung

Nahverkehr:Die liebe Not an der Endhaltestelle

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Angesichts des Fachkräftemangels will die Kreispolitik die Arbeitsbedingungen von Busfahrern verbessern - das fängt schon bei ganz menschlichen Bedürfnissen an.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Das Problem beginnt an der Endhaltestelle, wenn dort nicht einmal dringendste menschliche Bedürfnisse würdig erledigt werden können. An nahezu 80 Endhalte- oder Verknüpfungspunkten des Regionalbusverkehrs im Landkreis München gibt es keine sanitären Einrichtungen für Busfahrerinnen und Busfahrer, um dort während der Arbeitszeit einen Toilettengang zu erledigen. Nicht zuletzt diesen Missstand haben die Grünen und Freien Wähler im Münchner Kreistag als einen Grund dafür ausgemacht, dass sich der Fachkräftemangel im öffentlichen Personennahverkehr und insbesondere bei den Busfahrern immer weiter verstärkt. Mit zwei unabhängigen Anträgen wollen die beiden Parteien bessere Hygiene- und Sozialstandards im Landkreis München herbeiführen - doch ganz so einfach ist das nicht.

In der jüngsten Sitzung des Mobilitätsausschuss des Kreistags machte Christoph Nadler, Fraktionschef der Grünen, darauf aufmerksam, dass er immer wieder auf dieses "Riesenproblem" hingewiesen werde. Dabei nahm er auch die Kommunen in die Pflicht, die für die Ausgestaltung der Haltestellen verantwortlich sind. "Die Gemeinden müssen ja auch ein Interesse daran haben, dass das Problem gelöst wird", sagte Nadler und verwies darauf, dass bereits seit Monaten auf mehreren Linien nur im Notbetrieb gefahren werden könne, weil schlichtweg Fahrer fehlten.

Auf 16 Linien im Landkreis gab und gibt es einen Notbetrieb

Tatsächlich musste der Landkreis - auch angetrieben durch die Corona-Pandemie - auf 16 Linien phasenweise das Angebot reduzieren und nach wie vor können nicht alle Buslinien mit voller Auslastung betrieben werden. Landrat Christoph Göbel (CSU) stimmte Nadler zu und sagte, dass das Problem kein neues sei und sowohl die Verwaltung im Landratsamt als auch der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) die Thematik auf dem Schirm hätten. Seine Behörde habe daher auch eine Befragung unter allen 29 Städten und Gemeinden abgehalten, um in Erfahrung zu bringen, an welchen Haltestellen der dringendste Handlungsbedarf bestehe. Und natürlich, so Göbel, sei der Landkreis auf die Mitarbeit der Kommunen angewiesen, schließlich hätten diese beim Aufbau oder der Umrüstung von sanitären Anlagen die Planungshoheit. Von öffentlich zugänglichen und vor allem sauberen Toiletten an Endhalte- und Verknüpfungsstellen im Bussystem würden zudem auch Bürgerinnen und Bürger profitieren.

Göbel verwies auch darauf, dass der MVV derzeit ein Gutachten für den gesamten Verbundraum erstellen lässt, um das Thema Fachkräftemangel in all seinen Facetten zu beleuchten. Dessen Ergebnisse sollten jetzt abgewartet werden. Denn dass es nicht nur an fehlenden sanitären Anlagen liegt, um Personal halten oder neue Fachkräfte gewinnen zu können, machte auch Otto Bußjäger von den Freien Wählern deutlich. Es gehe auch um faire Bezahlung, um sich die hohen Lebenshaltungskosten im Landkreis leisten zu können. Es gebe im Freistaat zwei Landkreise, die den dort beschäftigten Busfahrern von sich aus höhere Zulagen zahlten, sagte er. "Auch wir sollten Standards für die Bezahlung festsetzen", so der FW-Kreisrat, der auch an die Busunternehmer appellierte und auf deren Betriebshöfen höhere Standards anmahnte. "Kein Busfahrer will bei minus fünf Grad erst mal seinen Bus freischaufeln, weil er ihn auf dem Betriebshof nicht ordentlich abstellen kann."

Göbel widersprach der Forderung nach landkreiseigenen Zuschüssen über den Tarif hinaus. Dies wäre nur möglich, wenn der Landkreis einen Eigenbetreib wie die Landeshauptstadt hätte.

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