Süddeutsche Zeitung

Kirchheim:Schlechte Aussichten

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Wegen der Corona-Krise stellen die Gemeinderäte den Turm infrage, der Gartenschau-Besuchern einen Ausblick über das Gelände ermöglichen würde

Von Christina Hertel, Kirchheim

Was wohl Kurfürst Carl Theodor gesagt hätte, wäre er in der Kirchheimer Gemeinderatssitzung am Montag gesessen? Der Monarch eröffnete vor 230 Jahren den Englischen Garten in München, ließ den Kleinhesseloher See ausheben und einen Hügel für den Monopteros aufschütten. Die Gemeinde will in den nächsten vier Jahren auch einen Ortspark bauen. Alles wird zwar eine Nummer kleiner als zu kurfürstlichen Zeiten - der Kirchheimer Ortspark würde fast 40 mal in den Englischen Garten passen. Doch einen See und womöglich einen Aussichtspunkt soll es auch dort geben. 12,6 Millionen Euro wird das voraussichtlich kosten. Der Gemeinderat stimmte diesen Plänen, die das Büro Sinai präsentierte, zwar grundsätzlich zu. Doch es gab Bedenken, ob sich die Gemeinde dieses Projekt noch leisten kann, wenn wegen Corona die Steuereinnahmen einbrechen.

Doch nicht nur wegen dieser Entscheidung zum Ortspark dürfte dieser Dienstag im Juni 2020 einmal auftauchen, wenn der nächste Historiker an einer Ortschronik über Kirchheim feilt: Eine Stunde vor zuvor erfolgte der symbolische Spatenstich für die neue Siedlung, in der der Ortspark einmal liegen soll. Genauer gesagt: für den Kreisverkehr an der Staatsstraße, der Ortspark und Wohnanlagen erschließt. Ende dieses Jahres soll der Kreisel zumindest für Bauarbeiter und Maschinen befahrbar sein. Etwa in einem Jahr soll der Bau des Ortsparks beginnen.

Dieser Zeitplan habe ihm am meisten Sorgen bereitet, sagte Landschaftsarchitekt Adolf Walter Faust, der vor fast 15 Jahren das Büro Sinai gegründet hat. Er konzipierte etwa die Außenanlagen zur der Mauergedenkstätte in Berlin und die Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn. Vielleicht gelang es ihm aufgrund dieser Erfahrung, den Gemeinderäten auszureden, den See zu verkleinern oder ganz zu streichen. Denn dieser gehört mit fast zwei Millionen Euro zu den teuersten Elementen des Parks. Etwa 785 000 Euro hätte die Gemeinde sparen können, hätte sie sich entschlossen, den See um den südlichen Abschnitt zu verkleinern, über den eine Brücke führen soll. Etwa Michael Dirl (Junge Union) hatte dies gefordert. Der Architekt jedoch betonte immer wieder, dass es ein "Erlebnis" sein werde, nicht nur neben, sondern auch auf dem Wasser stehen zu können.

Überhaupt werden die Besucher in dem Park vieles erleben können: In den Lichtungen soll es zum Beispiel schwebende Yoga-Matten, Mooskissen, große Schaukeln und einen Klettergarten geben. Einen Spielplatz nannte der Architekt "Kelten-Welten". Dort sollen ein Reetdachhaus und ein Labyrinth für Kinder entstehen. Am See beim zukünftigen Biergarten vor dem Rathaus ist außerdem ein Wasserspielplatz geplant. Auch einen 8,50 Meter hohen Aussichtsturm sehen die Pläne vor. Ob dieser für 346 000 Euro tatsächlich gebaut wird, hängt von der Haushaltslage Ende des Jahres ab. Auch Kunstwerke, ein Dach, unter dem gegrillt werden könnte, sowie den Nordteil des Parks, den die Kirchheimer Bürger gemeinschaftlich bewirtschaften sollen, will der Gemeinderat dann noch einmal diskutieren.

Mehr als 400 Bäume sollen für den Park neu gepflanzt werden. Neben den heimischen Arten, die möglicherweise in einigen Jahren aufgrund des Klimawandels in der Gegend nicht mehr wachsen, auch robuste Bäume, die Dürre gewohnt sind. Zum Beispiel die Sumpf-Eiche und der Silberahorn aus Nordamerika. Landschaftsarchitekt Faust betonte, dass er zudem möglichst viel des Bestands erhalten will.

Während die Junge Union zum Sparen aufforderte, wollte Thomas Heinik, der schon viele Jahre für die CSU im Gemeinderat sitzt, nicht zu knauserig zu sein: "Beim Englischen Garten", sagte er, "hat wahrscheinlich auch keiner gespart."

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SZ vom 18.06.2020
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