Süddeutsche Zeitung

Integration:"Den Ahmed hat uns der liebe Gott geschickt"

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Die Unterhachinger Unternehmerin Elfriede Diepold schätzt den aus Pakistan stammenden Asylbewerber Ahmed Zahoor als ihre beste Kraft. Er hat schnell Deutsch gelernt und die Prüfung zur Zertifizierten Lottofachkraft auf Anhieb bestanden. Doch ob er bleiben darf, ist unklar.

Von Iris Hilberth, Unterhaching/Neubiberg

Lotto sechs aus 49, Eurojackpot oder doch vielleicht Glücksspirale? Ahmed Zahoor kann jedem Kunden genau erklären, was zu tun ist, wie hoch der Einsatz ist und welch möglicher Gewinn auf ihn wartet. Der Pakistaner ist nicht nur "Zertifizierte Lottofachkraft", wie es offiziell heißt, er bedient die Glücksspieler am Campeon von Infineon in Neubiberg in Deutsch, in Englisch und wenn einer der vielen bei dem Halbleiterunternehmen angestellten Inder vor seiner Theke steht, sogar in dessen Muttersprache.

Seit drei Jahren ist Ahmed Zahoor in Deutschland, seit zwei Jahren arbeitet der 28-Jährige in dem modernen Tante-Emma-Laden der Unterhachinger Unternehmerfamilie Diepold auf dem Firmengelände. In einem solch internationalen Umfeld, in dem hauptsächlich englisch gesprochen wird, heißt der natürlich "Store". Hier bekommt man fast alles: von der Leberkässemmel über Schokoriegel bis hin zu Zigaretten und Hygieneartikeln sowie wechselnde Gerichte zum Mittagsessen. Und eben Lottoscheine. Ahmed Zahoor kennt längst alle Produkte. "Er ist auf Zack, unsere beste Kraft", schwärmt Marie Diepold. Ihre Mutter Elfriede ist überzeugt: "Den Ahmed hat uns der liebe Gott geschickt."

Ob er auch bleiben darf, ist eine Frage, die den jungen Pakistaner genauso umtreibt wie die Familie Diepold. Noch immer hat Ahmed Zahoor kein gesichertes Bleiberecht, wird von Mal zu Mal vertröstet, hätte schon einmal ausreisen müssen und durfte dann doch bleiben. "Vor einem Jahr hatten wir uns schon verabschieden müssen, dann kam eine Woche vor dem Termin doch die Entscheidung", berichtet Elfriede Diepold, die sagt: "Das tut mir persönlich weh, dass er so in der Luft hängt."

Beim Abspülen Vokabeln gelernt

Man merkt schnell, dass Ahmed Zahoor seiner Chefin ans Herz gewachsen ist. Vor zwei Jahren hatte die Unterhachinger Grünen-Gemeinderätin Claudia Köhler den Kontakt hergestellt. Anette Zuleger, die in Unterhaching ehrenamtlich Asylbewerbern Deutschunterricht erteilt, hatte den jungen Mann aus Kotli in der Region Kashmir empfohlen. Ein heller Kopf, der schnell lernt. In seiner Heimat hatte er bereits seinen Bachelor in "History und Political Science" gemacht, wollte in Deutschland eigentlich weiter studieren und im Marketing arbeiten, wie er erzählt. "Ich habe mich sehr gelangweilt in den ersten acht Monaten", berichtet er. Dann fing er bei den Diepolds als Aushilfe in der Spülküche an.

"Wir brauchten Personal, und Marie kam auf diese Idee. Ich dachte mir, wir versuchen das", sagt Elfriede Diepold. Mit jedem Teller, den Ahmed Zahoor spülte, lernte er neue Wörter, deutsche und bairische. "Was ich nicht kannte, habe ich mir aufgeschrieben", sagt er. Bald ging ihm "Butterbrezn" so flott über die Lippen wie "Pfiat di" und "Grüß Sie Gott". Er sagt: "Ich mache es einfach wie Marie." Schnell füllte er nicht mehr nur Regale auf, sondern stand dem Koch zur Seite und an der Kasse, schnitt Schweinebraten und die Diebpolds waren froh, dass er nicht nur so rasch Deutsch gelernt hat, sondern auch sehr gut Englisch spricht. Eine echte Bereicherung für ihren Laden, wie sie finden.

"Wenn er gehen soll, machen wir eine Demo."

Da blieb noch die Sache mit der Lottoannahmestelle. Wer dort arbeiten will, muss zuerst eine Prüfung bestehen. Bei der Lottogesellschaft war man skeptisch. "Man muss schon Deutsch können", betonte die Sachbearbeiterin. Elfriede Diepold war klar, dass das nicht leicht werden würde, denn die Formulierungen in dem Test seien auch für Muttersprachler kompliziert. "Ich dachte mir, wenn das einer schafft, dann Ahmed!" Er bestand mit null Fehlern. "Die Dame hat mich dann noch mal angerufen, weil sie so begeistert von unserem Ahmed war. Sie hat ihm sogar eine weitere Fortbildung in der Lotto-Akademie angeboten."

Die Diepolds hoffen nun natürlich inständig, dass ihr Mitarbeiter, der Vollzeit bei ihnen angestellt ist, dauerhaft bleiben darf. "Personal wie er ist Gold wert", sagt Marie. "Für Unternehmen ist eine solche Situation absurd", findet Köhler. Er ist nach drei Jahren super integriert, "aber das wird nicht honoriert." Elfriede Diepold hat beschlossen: "Wenn er gehen soll, machen wir eine Demo."

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Quelle:
SZ vom 18.09.2018
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