Süddeutsche Zeitung

Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Honoratior mit Hakenkreuz

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Im Höhenkirchner Rathaus hängt das Bild eines Nazi-Bürgermeisters

Als die Mitglieder des Bayerischen Spielearchivs im März im Haarer Rathaus Brettspiele aus der Nazizeit ausstellten, dauerte es keine Woche, bis sich Besucher über die abgebildeten Hakenkreuze beschwerten. Obwohl die Exponate mit einer kritischen Erläuterung versehen waren, schritt Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sofort ein, die Nazi-Symbole wurden abgedeckt. In Höhenkirchen-Siegertsbrunn dagegen störte sich offensichtlich 25 Jahre niemand daran, dass im Rathaus zwischen den Porträts anderer Honoratioren auch das Bild eines von der NSDAP eingesetzten Bürgermeisters hängt - samt Hitlerbärtchen und Hakenkreuzabzeichen. Erst nach einem SZ-Bericht vom April sah sich der Gemeinderat genötigt, sich mit dem Nazi in der Ahnengalerie auseinanderzusetzen.

Die Porträts aller ehemaligen Bürgermeister von Höhenkirchen und Siegertsbrunn waren Anfang der Neunzigerjahre unter dem damaligen Bürgermeister Rudolf Mailer (SPD) in Auftrag gegeben worden. Der Münchner Künstler Rudolf R. Fiedler zeichnete sie damals nach alten Fotos - und übernahm im Fall des von den Nazis in Siegertsbrunn eingesetzten Peter Westermair auch das Parteiabzeichen mit dem Hakenkreuz am Revers. Auf eine geschichtliche Einordnung verzichtete die Gemeinde, unter den Porträts standen lediglich Name, Ort und Jahreszahlen.

Trotzdem stellten sich die heutige Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) und die große Mehrheit der Gemeinderäte nun auf den Standpunkt, dass es sich nicht um eine Ehrengalerie handle, in der ein Nazi laut dem Neubiberger Historiker Herrmann Rumschöttel nichts verloren hätte. Die Bilder stellten vielmehr eine geschichtliche Dokumentation dar - für diesen Fall hatte der Historiker einen ergänzenden Hinweis empfohlen. Lediglich Dritte Bürgermeisterin Luitgart Dittmann-Chylla von den Grünen forderte, das Bild abzuhängen und durch einen Text zu ersetzen.

Seit September hängen neue Tafeln unter den Bildern Westermairs und des zunächst ebenfalls von den Nazis ernannten, später dann auch gewählten Höhenkirchner Bürgermeisters Georg Maier. Die Besucher im Rathaus erfahren nun, dass beide 1933 "eingesetzt" wurden - aber nicht von wem. Das allerdings findet auch der Historiker Rumschöttel "etwas karg" und "zu wenig problembewusst".

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Quelle:
SZ vom 30.12.2016 / wkr
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