Süddeutsche Zeitung

Haar:Unbekannter bohrt auf Waldfriedhof alte Buchen an

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Nachdem die Gemeinde zunächst selbst nach dem Täter fahnden will, schaltet sich die Polizei ein. Die Bäume drohen abzusterben.

Von Bernhard Lohr, Haar

Ein Unbekannter hat im Haarer Waldfriedhof fünf mächtige Buchen gezielt geschädigt, sodass diese wahrscheinlich abgestorben sind. Es wurden Bohrlöcher in den Stämmen entdeckt, in die nach bisherigen Erkenntnissen im Rathaus eine Flüssigkeit eingebracht worden ist. Inzwischen hat sich deshalb auch die Polizei eingeschaltet. Umweltreferent Andreas Nemetz zeigte sich am Dienstagabend im Gemeinderat tief betroffen von dem Vorfall und deutete an, er habe nicht viel Hoffnung, dass die Bäume sich erholen. Sie sollen aber zunächst stehen bleiben, um zu sehen, ob sie im Frühjahr austreiben.

Der Baumfrevel ruft in Haar Erinnerungen an eine Serie wach, bei der ein Täter vor Jahren mutwillig Bäume mit einer Kettensäge umgesägt hatte. Ähnlich wie damals löst die Tat auf dem Waldfriedhof bei vielen zunächst Kopfschütteln aus. Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) sprach am Dienstag von einer "unerfreulichen" Sache und ergänzte in Anbetracht der "relativ großen Bohrlöcher", die man in den Stämmen gefunden habe, dass da jemand "sehr wohl wusste, was er macht". Es handelt sich Nemetz zufolge um "fünf alte Buchen" im sogenannten "Ahornhain" des Friedhofs. Die Bäume wiesen massive Schäden auf, die Blätter seien "zusammengeschrumpelt". Es sei in dem dichten Baumbestand eine regelrechte Lichtung entstanden.

Die Gemeinde hatte die Schädigungen an den Bäumen bereits seit längerer Zeit beobachtet, Nemetz zufolge aber erst vor etwa zwei bis drei Wochen entdeckt, dass jemand gezielt vorgegangen sein muss. Eine Anzeige bei der Polizei wurde jedoch zunächst nicht erstattet, was Nemetz auf Nachfrage damit begründet, dass die Gemeinde sich davon nicht viel erhoffe. Man gehe aber von einer bewussten Aktion gegen die Bäume an diesem Ort aus. Die Gemeinde wollte laut Nemetz versuchen, mit eigenen Recherchen den Vorfall aufzuklären und Hinterbliebene und Familienangehörige, die Gräber in dem Bereich haben, gezielt anzusprechen. Es sollen zudem Schilder mit Hinweisen an den Bäumen angebracht werden.

Als mögliches Motiv des Täters deutete der Umweltreferent im Gemeinderat an, dass es zuletzt Ärger über das Laub gegeben habe, das von den Bäumen fällt und nur sporadisch entfernt werde. Nachdem der Gemeinderat beschlossen hatte, in einem Probelauf auf Laubbläser und Laubsauger zu verzichten, hatte der Bauhof nur noch die Wege freigeräumt. In der Folge türmte sich das Laub auf vielen Gräbern.

Ein ähnlicher Fall aus den Jahren 2012 und 2013 war anders gelagert. Damals sägte ein Mann zunächst an der Mittelschule in Haar frisch gepflanzte Bäume um und ging anschließend gegen ältere Bäume vor, deren Stämme er laienhaft ansägte. Diese drohten dadurch umzufallen. Menschen wurden gefährdet. Es handelte sich um eine regelrechte Tatserie, bei der stets tief in der Nacht 20 bis 30 Meter hohe Bäume angesägt und zum Teil auch gefällt wurden.

Mehrmals entkam der Täter nach seinen Einsätzen mit der lauten Kettensäge nur knapp, nachdem Anlieger wegen Ruhestörung die Polizei alarmiert hatten. Im September 2013 schließlich ging er den Beamten in der Nähe des Tatorts ins Netz. Sie erwischten den betrunkenen 56-Jährigen nahe dem Waldfriedhof, als dieser gerade - mit Sägespänen bedeckt - auf dem Fahrrad wegradeln wollte. Die noch warme Kettensäge hatte er dabei. Sein letztes Opfer war eine Hainbuche mit 1,70 Meter Umfang im Ökogarten an der Ferdinand-Kobell-Straße. Stephan Jochim, der stellvertretende Leiter der Haarer Polizeiinspektion, erinnert sich noch gut an die Festnahme. Es sei ein außergewöhnlicher Fall gewesen. Eine Beziehung zur jetzigen Tat allerdings schließt er aus. Der Täter von damals habe seines Wissens aus Rache an der Gemeinde gehandelt und sei psychisch belastet gewesen.

Vor bald acht Jahren wiederum half eine aufmerksame Bevölkerung und eine sensibilisierte Polizei bei der Aufklärung eines weiteren Falls. Ein Baum war in eine Stromversorgungsleitung gestürzt und hatte zu einem Stromausfall geführt. Der Schaden war immens. Das Rathaus schrieb damals eine Belohnung von 1000 Euro für Hinweise aus, die zum Ergreifen des Kettensägen-Täters führen.

Dieses Mal wollte das Rathaus die Angelegenheit ohne Polizei abwickeln. Doch daraus wird nichts. Nachdem er am Mittwoch von den Vorfällen auf dem Friedhof erfahren hatte, kündigte Kriminalhauptkommissar Jochim an, sich die Anzeige "selbst im Rathaus" abzuholen. Umweltreferent Nemetz bestätigte im Laufe des Tages, dass das Personal am Friedhof mittlerweile mit der Polizei in Kontakt stehe.

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SZ vom 29.07.2021
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