Süddeutsche Zeitung

24-Stunden-Schwimmen in Haar:Immer schön die Bahn halten und weiter kraulen

Lesezeit: 4 min

150 Sportlerinnen und Sportler jeden Alters kraulen, tauchen und wenden bei einer Veranstaltung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft im Jagdfeldbad. Am Ende werden mehr als 2100 Kilometer zurückgelegt.

Von Angela Boschert, Haar

Nicht nur Radfahrer auf dem Nürburgring oder Automobilisten in Le Mans sind 24 Stunden lang am Stück unterwegs. Auch im Haarer Jagdfeldbad haben 150 Sportlerinnen und Sportler bei einem 24-Stunden-Schwimmen das Becken durchgehend belebt. Die örtliche Gruppierung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hat die Veranstaltung am Wochenende zum 15. Mal ausgerichtet und für eine familiäre Stimmung gesorgt. Die Schwimmer zwischen sieben und 69 Jahren haben am Ende zusammen insgesamt 2163,40 Kilometer zurückgelegt.

Am Samstagvormittag ist es bis dahin noch ein weiter Weg, als sich schon viele Teilnehmer im Becken tummeln. Man sieht Bademützen in den Farben Weiß, Rot, Grün, Gelb und Blau auf den fünf Bahnen, die nach Tempo unterteilt sind. Dicht an dicht schwimmen 18 Personen bei den "Gemütlichen" mit den weißen Hauben, daneben acht "Langsame", 14 "Ambitionierte" und 16 "Schnelle" in roten, grünen und gelben Kappen, und bei den "Highspeed-Junkies" kraulen an die elf durchs Wasser.

Obwohl es teilweise eng zugeht, könnten bis zu 30 Schwimmer auf jeder der 25 Meter langen Bahnen sein, sagt Christian Ludwig, der Vorsitzende des DLRG-Ortsverbands Haar. Er ist mit seiner Familie und einem 15 Mitglieder starken Team dafür zuständig, dass alles läuft, wo nötig, der Boden gewischt oder die steinerne Sitzbank abgetrocknet wird, auf der am Beckenende Sportlerinnen und Sportler neben Angehörigen sitzen und das Geschehen beobachten.

So wartet zum Beispiel Claire Dotzauer auf ihren Sohn Maximilian. Der Elfjährige schwimmt seit 2022 bei der DLRG in Haar und ist jetzt zum ersten Mal bei diesem Event dabei. Als Maximilian gegen 14 Uhr aus dem Becken steigt, ist er erschöpft, strahlt aber, als ihm seine Mutter mit "3,6" begrüßt und den Daumen nach oben reckt. Der Bub hat mehr als die Hälfte seines gesteckten Ziels von fünf, besser sechs, Kilometern geschafft und wird sich jetzt erst einmal daheim ausruhen, bevor es weitergeht. Am Sonntagmittag um 12 Uhr sind er und sieben weitere Schüler des Ortsvereins insgesamt gut 128 Kilometer geschwommen. "Ich bin sehr stolz auf die Mädchen und Jungs aus den Jahrgängen 2011 bis 2007", sagt Ludwig. Ein großes Display am Eingang zur Halle zeigt fortlaufend die zurückgelegten Strecken an.

Doch für Ludwig und sein Team zählen vor allem der Spaß. Dafür sprechen die Teamnamen wie "Fischstäbchen", "Jägermeister", "Atemlos durch die Nacht", "Haarer Chaoten" oder "Warmduscher". Das Gemeinschaftserlebnis zählt. So ist für die 14-jährige Olivia Nitsche aus Regensburg die Übernachtung in der angrenzenden Turnhalle das Reizvolle.

Dort liegen dicke Turnmatten an den Wänden und allerhand Taschen, Kissen, Kuscheltiere und natürlich Maskottchen haben sich dazugesellt. Nachts werde gespenstisch durch die Halle geschlichen, erzählt Olivias Mutter, die seit Kindestagen bei der DLRG ist und sich in Haar besonders um die Jugendlichen kümmert. Und darum, dass diese schlafen können und niemand eine der vorbereiteten Matratzen einfach in eine andere Hallenecke zieht. Das sei schon passiert, erinnern sich die Umstehenden und schmunzeln, als der Name des Unglücklichen fällt.

Es wird viel gelacht, was auch Leistungsorientiertere ansteckt. Christine Aschauer etwa will "so viel schwimmen, wie geht". Sie ist bei den "Highspeed-Junkies" und unterbricht ihre Kraulbahnen nur kurz am Beckenende, um eine Banane zu essen und dann die Jagd nach der 45-Kilometer-Marke fortzusetzen. "Nur wenn alles wehtut, schwimme ich auch mal Rücken oder Brust", verrät die sportliche Frau vom Team "Warmduscher" aus Au in der Hallertau und lächelt.

Doch wie wird ihre Strecke überhaupt ermittelt? Bei den Startblöcken am anderen Beckenende sitzen die Bahnenzähler mit Tablets. Sie tippen dort auf das Symbol der Badekappennummer, dessen Träger gerade bei ihnen wendet. Seine absolvierten 50 Meter gehen in die Gesamtstatistik ein und sind auf dem Display am Halleneingang zu sehen. Dort haben die Teilnehmer zu Beginn ein Bändchen mit Strichcode erhalten. Wollen sie ins Wasser gehen, wird dieser Code gescannt und einer Badekappennummer und Bahn zugeordnet. Wer seine Einheit beendet, gibt die Badekappe ab und wird ausgeloggt.

Das Computersystem haben die "Wasserfreunde" aus Meiningen in Thüringen programmiert und betreuen es in Haar. Sie sind mit einem Kleinbus angereist und haben ihre EDV im Kontrollraum aufgebaut. "Wenn die Technik gut läuft, wollen wir am liebsten selbst ins Wasser steigen und mitschwimmen", sagt dort Jan Tirschmann. Die Meininger sind zu ihrem ersten 24-Stunden-Einsatz in diesem Jahr in Haar. Bei ihnen findet die gleiche Veranstaltung mit mehr Teilnehmern in einem Innen- und einem Außenbecken statt.

Am Fußende des 25 Meter langen Beckens werden auch kurze Pausen eingelegt. Dort stehen Trinkflaschen unterschiedlicher Formen in allen Farben und befüllt mit Wasser aus dem nahen Zapfhahn oder mit Cola, was mit viel Zucker und Koffein einen schnellen Kraftschub geben soll. Viele Schwimmer tun sich lieber am reichhaltigen Buffet gütlich, wo die Haarer außer Weißwürsten und Wiener auch Vegetarisches und natürlich selbstgebackene Kuchen anbieten. Alles zu niedrigen Preisen, denn "es soll sich jeder leisten können", sagen Ludwig und seine Frau Sibylle im Einklang. Das begrüßt Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU), der bei seinem kurzen Besuch mit seiner Teilnahme über 2100 Meter zum Schwimmergebnis beigetragen hat.

Markus Bierbaum ist stellvertretender Vorsitzender der DLRG-Ortsgruppe und mit Familie Ludwig der Hauptorganisator. Gemeinsam mit den Meininger Kameraden fahren sie im Sommer regelmäßig an die Ostsee, um in den Badeorten den nötigen Rettungsdienst sicherzustellen. Als sie alle beisammen stehen, geht es schnell um die Defizite, die durch die Corona-Pandemie beim Schwimmunterricht entstanden sind. Es fehlten zwei Jahrgänge, sagt Bierbaum, die es entweder nicht können - das heißt 15 Minuten am Stück schwimmen - oder andere Interessen hätten.

An diesem Wochenende herrscht im Becken sogar zu nachtschlafender Zeit Betrieb, als es gleich zweimal um den Gewinn des ausgelobten Mondscheinpokals geht, dessentwegen allein einige Schwimmer angereist sind. Durchschnittlich hat am Ende jeder Schwimmer gut 14 Kilometer zurückgelegt. Zur Zeitumstellung gibt es das nächste 24-Stunden-Schwimmen in Haar.

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