Süddeutsche Zeitung

Baumfällung:Polizeieinsatz gegen Sitzblockade

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Anwohner versuchen vergeblich zu verhindern, dass ein morscher Ahorn, der als Gronsdorfer Wahrzeichen gilt, der Motorsäge zum Opfer fällt.

Von Bernhard Lohr, Haar

Kaum ist die Empörung über die geplante Fällung von 32 Bäumen am Haarer Gymnasium abgeebbt, schlagen in der Gemeinde die Wogen erneut hoch. Am Samstagmorgen schreckten Arbeiter mit ihren Motorsägen Anwohner in Gronsdorf-Kolonie auf. Sie machten sich daran, einen 20 Meter hohen Spitzahorn an der Ecke Dittmannstraße und Watzmannstraße umzulegen. Der Baum mit einem Kronendurchmesser von 15 Metern prägt dort das Viertel. Sofort fanden sich laut SPD-Gemeinderat Peter Paul Gantzer, der in der Nachbarschaft wohnt, Protestierende ein und brachten die Baumfällarbeiten mit einem Sitzstreik zum Stillstand. Die Arbeiter riefen die Polizei, die mit einer Streife anrückte und eine Zwangsräumung androhte.

Zu der Eskalation kam es nur wenige Tage, nachdem das Rathaus bei dem seit zwei Wochen schwelenden Streitfall um den Baumschutz am Ernst-Mach-Gymnasium etwas Druck aus dem Kessel hatte nehmen können, indem es verkündete, wider Erwarten doch die allermeisten Bäume erst einmal erhalten zu können. Nur elf Bäume sollen jetzt wegen der anstehenden Schulbaustelle weichen. Wobei die Gemeinde prüfen will, ob noch weitere stehen bleiben können.

Auch ein zweiter Gutachter kommt zum selben Ergebnis

Doch wie konnte es sein, dass in dieser angespannten Lage in Gronsdorf einfach ein Fälltrupp losgeschickt wird? Das Rathaus begründet die Aktion mit der akuten Gefahr durch den stark geschädigten Baum. Demnach hatte ein Baumkontrolleur erst am Donnerstag bei einer turnusmäßigen Überprüfung die "massive Fäule" festgestellt. Jedenfalls war am Samstag nicht nur die Polizei gefordert, um die Lage zu beruhigen. Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) und SPD-Gemeinderat Gantzer kamen dazu. Bukowski versuchte dabei einer Mitteilung des Rathauses zufolge zu erklären, dass es sich um eine rechtmäßig im Auftrag der Gemeinde angeordnete Fällung handelte, die die Arbeiter umzusetzen versuchten. Schon die Arbeiter versuchten demnach, Zweifel an der Notwendigkeit der Fällung zu zerstreuen, hätten es aber unter Verweis auf die Bruchgefahr abgelehnt, den Baum zu besteigen.

Die Gemeinde beschreibt einen stark geschädigten Baum, bei dem man auf der Rückseite in Hüft- bis Kopfhöhe eine massive Fäule festgestellt habe. An der Rückseite sowie an der Vorderseite seien zudem mehrere Stellen mit schwarzem Ausfluss sichtbar. Dieser zerbrösele krustenartig, was auf einen massiven Befall mit dem sogenannten Brandkrustenpilz schließen lasse. Bürgermeister Bukowski sagte noch in Gronsdorf den Bürgern eine Prüfung durch einen zweiten Gutachter zu. Wie das Rathaus am Montag mitteilte, habe dieser "erfahrene" Baumgutachter die erst Einschätzung mittlerweile "gänzlich bestätigt". Er habe sogar eine komplette Fällung als absolut vertretbar eingeschätzt.

Der Baum wurde daraufhin noch am selben Tag bis auf einen Stumpf umgesägt. Den Torso des Baums habe man stehen gelassen, um so einen Lebensraum für Insekten und Vögel zu schaffen. SPD-Mann Gantzer beklagt im Nachhinein, dass dieses "Gronsdorfer Markenzeichen" regelrecht "gefleddert" worden sei. Der Stumpf gleiche jetzt einem "Mahnmal". Die Gemeinde habe es auf jeden Fall versäumt, die Bürger vorzeitig über die Maßnahme zu informieren. Diesen Vorwurf weist das Rathaus zurück. Der Baumkontrolleur habe bei der Entdeckung der Gefahr noch Anwohner benachrichtigt. Wegen der akuten Gefahr habe umgehend den Gehweg gesichert und die Fällung organisiert.

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