Süddeutsche Zeitung

Grüne im Landtag:Drei Namen zum Merken

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Claudia Köhler, Markus Büchler und Benjamin Adjei suchen zwar noch ihren Platz im Landtag, doch die neuen Abgeordneten aus dem Landkreis haben bereits viel vor. Eine erste Bilanz nach 100 Tagen über drei Politiker, die gekommen sind, um zu bleiben.

Von Martin Mühlfenzl

Claudia Köhler und Markus Büchler schlendern durch die Landtagsgaststätte im Maximilianeum, die Unterhachingerin im Dirndl, der Oberschleißheimer in seinem Lieblingsjanker, vorbei am größten Tisch im Speisesaal, an dem gerade Ministerpräsident Markus Söder im dunklen Anzug zu Mittag isst, gemeinsam mit dem Haarer Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch. Söder nickt Köhler und Büchler zu, Weidenbusch hebt kurz die Hand. Es ist ein Gruß auf Augenhöhe - knapp hundert Tage, nachdem die beiden Grünen dort eingezogen sind, wo der Christsoziale Weidenbusch schon seit 2003 sitzt: im Bayerischen Landtag.

Es sind ja momentan aufregende Zeiten für die bayerischen Grünen. So ein Hype, der am 14. Oktober bei der Landtagswahl mit 17,6 Prozent seinen vorläufigen Höhepunkt fand und in den Umfragen nicht enden will, sollte eigentlich nicht spurlos an einem vorübergehen. Köhler und Büchler aber wirken ganz entspannt und in sich ruhend, als sie sich in das hinterste der vier Separees der Landtagsgaststätte zurückziehen, die abgeschlossen werden können, um sich neugierigen Blicken zu entziehen.

Das war im Oktober, zwei Tage nach der Wahl, zumindest bei Claudia Köhler noch ganz anders. Markus Büchler wusste da ja schon, dass er mit seinem außerordentlich gutem Ergebnis im Stimmkreis München-Land Süd, sage und schreibe 23,6 Prozent der Erststimmen, sicher im Landtag sein würde. Köhler aber, die im Norden auf kaum weniger starke 22,8 Prozent kam, musste noch zittern. Die Ergebnisse aus München waren noch nicht da, und bei der bayerischen Arithmetik für Landtagswahlen müssen zunächst die Erst- und Zweitstimmen aller Kandidaten zusammengezählt werden. Eine Geduldsprobe.

Büchlers Büro ist noch nicht fertig

"Ich saß bei der Probe für den Spielmannszug unserer Feuerwehr", erinnert sich die 52-jährige Betriebswirtin an jenen Dienstagabend nach der Wahl. Auf die Stücke, die Anweisungen von Musikmeister Thomas Hämmerlein und ihre kleine Querflöte konnte sie sich nicht so recht konzentrieren. Immer wieder wischte sie über ihr Smartphone, aktualisierte die Ergebnisse aus der Landeshauptstadt und antwortete den Orchestermitgliedern, die fragten: "Hast scho' was?" Ja, irgendwann am Abend hatte sie was: Die Unterhachingerin war drin, als eine von 38 Grünen.

Am kommenden Mittwoch ist sind die beiden Neuen genau hundert Tage im Amt, solange währt dann die 18. Legislaturperiode des Landtags, der am 5. November zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentrat. Wie lange es dauert, wirklich drin zu sein im neuen Job, im parlamentarischen Alltag, wird an organisatorischen Details deutlich: "Ich hab' mein Büro schon", sagt Claudia Köhler und lacht. Denn während sie ihre Räume auf der Praterinsel bezogen hat, klappt Markus Büchler noch daheim den Laptop auf. Wie auch seine beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter, die er sehr schnell nach der Wahl gefunden hatte. Büchlers Büro wird erst in ein paar Wochen fertig. Aber zumindest die Lage sollte den Verkehrsexperten über die lange Wartezeit hinwegtrösten: Er sitzt künftig an der Maximilianstraße.

Auf den Prachtboulevard haben die Abgeordneten und Besucher des Landtags vom Steinernen Saal aus einen sensationellen Blick, am Horizont thronen die Frauenkirche und die Theatinerkirche. Von der Wand blickt der Öl gewordene König Maximilian II. von Bayern, der Stifter und Namensgeber des Hauses. Direkt nebenan im Plenarsaal findet die große Show des Landtags statt, die oft hitzigen Debatten, die in der Öffentlichkeit ihren Widerhall finden. Das eigentliche Leben des Parlamentariers aber spielt sich in kleineren Sälen ab, in Ausschusssitzungen, wenn sich die Fraktion trifft - und bei unzähligen Terminen außerhalb des Landtags.

Die Abendtermine hat Köhler inzwischen reduziert

"Wir haben ja ziemlich schnell nach der Wahl zu arbeiten angefangen. Und von heute auf morgen hat sich die Post vervielfacht", sagt Claudia Köhler. "Da waren ganz tolle Einladungen dabei und ich bin auch zu den meisten hingegangen, hab' mir ganz viel angeschaut." Aber alles geht nicht, eine Abgeordnete kann sich nicht in mehrere aufteilen. Die Abendtermine hat sie mittlerweile reduziert, auch wenn sie an diesem Abend noch nach Raubling muss zu einer Infoveranstaltung - die Bienen wollen gerettet werden.

Ansonsten hat sie der parlamentarische Alltag längst im Griff. Geholfen hat den Neulingen am Anfang ein Leitfaden der Landtagsverwaltung, vor allem aber die Hilfe von Mitarbeitern der Fraktion, die "jede Ecke des Landtags kennen", wie Büchler sagt. Um aufgeregt zu sein angesichts der neuen Aufgabe, sagt der Oberschleißheimer, sei aber in den ersten Wochen einfach keine Zeit gewesen. Im Gegensatz zu seiner Unterhachinger Parteifreundin kennt der 45-jährige Landschaftsarchitekt und Web-Entwickler den Landtag bereits von innen: Er war vor 2014 Mitarbeiter der Grünen-Landtagsabgeordneten Susanna Tausendfreund, der heutigen Bürgermeisterin von Pullach.

"Was mich jetzt wirklich reizt, ist die fachliche Arbeit, tief in Themen einzusteigen", sagt seine Unterhachinger Parteifreundin. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des mächtigen Finanzausschusses im Landtag, Markus Büchler sitzt für seine Fraktion selbstverständlich im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr; er hat sich ja in den vergangenen Jahren bereits als Kreisrat den Ruf eines echten Verkehrsexperten erworben. Von seinem Einzug in den Landtag soll auch der Landkreis München profitieren. "Die Bürger können von uns schon erwarten, dass wir als Grüne die Megathemen anpacken, die sie beschäftigen", sagt Büchler. "Der Verkehr, das Wohnen. Wir wollen schon auch aus der Opposition heraus etwas bewegen und auch den Freistaat dazu bewegen, für den Landkreis etwas zu tun. Zum Beispiel beim Thema Verkehr, wo die Staatsregierung nicht nur auf neue Straßen setzen sollte."

Adjei gehört zu den jüngsten Abgeordneten

Das mit dem Verkehr ist so eine Sache. Benjamin Adjei, der dritte neue Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis, fährt fast jeden Tag mit der S-Bahn von Taufkirchen aus in den Landtag und macht dabei wie jeder Pendler immer wieder unliebsame Erfahrungen. Mit 28 Jahren gehört der Taufkirchner zu den jüngsten Abgeordneten im Landtag, gleichwohl hat er seinen beiden Fraktionskollegen Köhler und Büchler etwas voraus: Er hat, obwohl nicht in der Landeshauptstadt zu Hause, dort ein Direktmandat errungen, im Stimmkreis München-Moosach. Dennoch ist er Taufkirchner geblieben. Zusammen sind Köhler, Büchler und Adjei sozusagen das grüne Kleeblatt aus dem Landkreis im Maximilianeum. Drei grüne Abgeordnete aus einem einzigen Landkreis - das ist einmalig.

Auch Adjei wartet noch auf sein Büro an der Maximilianstraße. "Da muss ich mir dann noch ein Bronzeschild besorgen, ganz standesgemäß für die Adresse", sagt er und lacht. "Aufregend" seien die ersten Wochen gewesen, gibt der Taufkirchner zu, aber jetzt gehe es schon ans Eingemachte. Er ist der Experte seiner Fraktion für Digitalisierung; kein Wunder: Adjei hat einen Abschluss im Fach Scientific Computing. Den Spagat, im Landkreis zu wohnen und trotzdem in seinem Stimmkreis präsent zu sein, bekommt er nach eigenen Worten hin. "Ich bin da bei vielen Veranstaltungen und auch gut vernetzt. Mir ist es schon wichtig, den Kontakt mit den Leuten in Moosach zu haben." Und vielleicht wird der noch enger. Einen Umzug in die Stadt schließt er nicht aus. "Aber das hat keine Eile. Erst einmal ist der neue Job wichtig", sagt Adjei.

Ankommen kann sehr schnell gehen, braucht manchmal aber auch Zeit. Als sich die Tür zum Separee öffnet und die sehr zuvorkommende Bedienung die Getränke bringt, hat sie einen Namen sofort parat. "Der Spezi ist für sie, Frau Köhler?", sagt sie, dann blickt sie nach rechts zu Markus Büchler und fragt: "Wie war Ihr Name noch mal?" Markus Söder, der vor der Tür sitzt, sollte sich den Namen von Markus Büchler auch merken. Denn als sich die Tür wieder schließt, sagt der Oberschleißheimer: "Nach der nächsten Landtagswahl wollen wir regieren." Er ist offenbar nicht nur angekommen, sondern schon einen Schritt weiter.

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SZ vom 09.02.2019
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