Süddeutsche Zeitung

Feldkirchen:Jeder könnte Alex' Held sein

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Der 16 Wochen alte Alex aus Feldkirchen leidet an einer seltenen Immunkrankheit. Seine einzige Überlebenschance ist eine Stammzellenspende. Die Eltern starten deshalb gemeinsam mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei eine Typisierungsaktion in ihrem Heimatort.

Von Ulrike Schuster, Feldkirchen

Alex ist erst 16 Wochen alt und schon todkrank. Sein Blut arbeitet gegen ihn. Der kleine Junge aus Feldkirchen liegt im Krankenhaus Schwabing, abgeschottet in einem isolierten Zimmer. An seinem kleinen Körper kleben Kabel und Katheder - totale Kontrolle, Tag und Nacht. Alle drei Tage muss Alex zur Chemotherapie, das heißt eine Stunde lang Infusion.

Alex hat keinen Krebs. Er braucht aber genau das gleiche Mittel wie Blutkrebs-Patienten, um geheilt zu werden: gesunde Stammzellen. Der Gegner heißt Hämophagozytische Lymphohistiozytose, kurz HLH, eine seltene Krankheit des Immunsystems, für die ein krankes Mutter- und ein krankes Vater-Gen zusammenkommen müssen. Das eigene Blut wird quasi aufgefressen, der eigene Körper zerstört. "Einzige Überlebenschance sind frische Stammzellen, die ein gesundes Immunsystem neu in Gang setzen", sagt Vater Markus Sperl.

Am 11. September können sich potenzielle Spender registrieren lassen

Um die Chance auf Rettung zu vergrößern, haben sich die Eltern mit der DKMS, der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, verbündet. Gemeinsam rufen sie dazu auf, sich als Spender registrieren zu lassen. Die Möglichkeit dazu schaffen sie am 11. September von 11 bis 16 Uhr in der Mehrzweckhalle in Feldkirchen (Richthofenstraße 3). Ihre Registrierungs-Aktion trägt den Titel "Sei ein Held - rette Alex!"

In der DKMS, eine Spenderdatei für Stammzellen-Spender, sind allein in Deutschland mehr als 4,5 Millionen Menschen registriert. "Hört sich nach wahnsinnig viel an, ist es aber nicht", sagt Laura Riedlinger, die für die Spenderneugewinnung zuständig ist. Die Herausforderung: Die Stammzellen von Patient und Spender müssen absolut identisch sein. Konkret heißt das, dass 10 000 verschiedene Gewebemerkmale des Blutes übereinstimmen müssen. Eine große Zahl, die wiederum millionenfache Kombinationen möglich macht. Es ist wie im Lotto. Man hofft auf den Sechser. Alex braucht den Sechser.

Es war bloß Fieber, 39,7 Grad, drei Wochen ist es jetzt her. Um 20 Uhr fahren die Eltern mit Alex ins Krankenhaus, er wird untersucht, es geht heim, um 2 Uhr nachts ruft die Ärztin an: "Bitte kommen Sie zurück. Mit dem Blut stimmt was nicht." Im persönlichen Gespräch nennt sie die Blutwerte "katastrophal". Die folgende Knochenmarksbiopsie bestätigt den Verdacht auf die blutfressende Krankheit. "Zwischen gesundem und todkrankem Alex lagen gerade einmal zehn Tage", sagt Vater Markus Sperl.

Eine niederschmetternde Diagnose. Im ersten Moment kann Sperl keinen Gedanken fassen, am Tag danach kein Wort sprechen, das Leben der Familie steht Kopf. "Zeit zum Klarkommen bleibt nicht. Alex hat auch keine. Jetzt müssen wir tun, was wir tun können", sagt Sperl.

Der Rettungsassistent beim Roten Kreuz hat sich beurlauben lassen, im Moment zählt nur die Familie, natürlich. Für die Typisierungsaktion klebt er Plakate, verteilt Flyer - jedes Bushäuschen, jeden Bäcker sucht er auf. Auf der Facebook-Seite "Sei ein Held - Rette Alex!" ermuntert er die Menschen zum Mitmachen, auch eine Homepage soll informieren.

Über Whatsapp hat er schon Helfer für die Aktion organisiert. Während seine Frau Laura Tag und Nacht bei Alex wacht, kümmert sich Markus Sperl um die zwei Töchter, vier und sechs Jahre alt, bringt sie in den Kindergarten, zur Schule, kauft ein, erzählt unermüdlich vom Schicksal der Familie. Er will möglichst vielen Menschen sagen: Du könntest Alex' Held sein, dein Blut zählt.

15 Minuten dauert die Teilnahme an der Aktion am 11. September. Datenerfassung, Aufklärungsgespräch, Gesundheitscheck: Ist der mögliche Spender im richtigen Alter, passt sein Gewicht, ist er frei von auto-immun- und chronischen Krankheiten? Wenn ja, geht es zur Blutabnahme, ein Pieks für fünf Milliliter Blut. Danach wandern die Daten ins Labor, Gewebemerkmale werden typisiert, jeder, der als möglicher Retter für Alex in Frage kommt, wird mit dem Baby-Gewebe "gematcht". Das ist ein bisschen wie im Online-Dating.

Mit viel Glück könnte bald das Telefon bei den Sperls klingeln. Dann mit einer besseren Nachricht als zuletzt, vielleicht in etwa so: "Wir haben ihn gefunden."

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Quelle:
SZ vom 11.08.2016
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