Süddeutsche Zeitung

Fahrradkurier im Winter:Achtung, Rutschgefahr!

Lesezeit: 2 min

Vereiste Wege, Schnee an den Straßenrändern, schlitternde Autos: Ein Fahrradkurier hat im Winter mit einigen Hindernissen zu kämpfen. Robert Mamuzić fährt trotzdem.

Sara Zinnecker

Der Weg scheint gut geräumt. Nur links und rechts von der Straße häuft sich der Schnee, mitten hindurch aber führt eine Trasse, gerade breit genug für Robert Mamuzić und sein Mountainbike. Vorsichtig steuert er sein Fahrrad darauf zu, doch dann zieht es ihm plötzlich den Boden unter den profilstarken Stollenreifen weg. Er fällt, sein Rad schlittert noch einige Meter weiter.

20 Minuten kostet es Mamuzić diesmal, sich selbst samt Fahrrad wieder senkrecht zu stellen, denn der Untergrund ist spiegelglatt. Es ist immer das selbe Spiel: Er nähert sich zuerst auf allen Vieren krabbelnd dem Rad, steht schwankend auf. Doch spätestens bei dem Versuch, das Bike aufzurichten, rutscht er wieder aus. "Aber ein Winter ohne ein paar Mal im Schnee zu landen, ist auch kein richtiger Winter", sagt er und lacht.

Robert Mamuzić muss es wissen, schließlich macht er seinen Job schon seit 13 Jahren: Als Fahrradkurier für einen der insgesamt 35 Münchner Kurierdienste fährt er an fünf Tagen in der Woche, acht Stunden am Tag, allerlei Waren kreuz und quer durch die Stadt. Mit seinem zitronengelben Kuriersack ist er auch bei trübem Wetter schon meilenweit zu erkennen.

Bis zu 90 Kilometer legt er manchmal am Tag zurück, denn mitunter geht es auch in die Region, zum Beispiel nach Starnberg oder Wolfratshausen. Das Programm ist straff, kein "fröhliches Radeln à la Hans-Guck-in-die-Luft". Doch was kann er tun, um bei den winterlichen Straßenverhältnissen trotzdem einigermaßen zügig ans Ziel zu kommen?

Leider, sagt Mamuzić, wisse man in München nie so genau, welche Radlstrecken gerade frei von Schnee seien. Zum Beispiel die neue Route entlang der Ismaningerstraße in Bogenhausen. "Kaum ein Räumfahrzeug verirrt sich dorthin", wundert sich der gebürtige Münchner. Anders schaut es dagegen in weniger zentral gelegenen Gegenden aus.

"In Neuperlach hatten sie die Schneemassen gut im Griff - die Wege waren am Abend nach dem Schnee schon wieder gut befahrbar." Dort, wo Radwege nicht geräumt und gestreut sind, bleibt dem Kurier nichts anderes übrig, als auf die Hauptstraße auszuweichen. Hier muss er sich seinen Weg zwischen den Autokolonnen bahnen, aufpassen, nicht aus dem Tritt zu kommen und das Gleichgewicht zu halten.

"Die größte Herausforderung im Winter ist es, sich mit den anderen Verkehrsteilnehmern zu arrangieren", berichtet er. "Schon ein paar Mal bin ich haarscharf einem Zusammenstoß entgangen." Dann zum Beispiel, wenn Fußgänger den eisigen und matschigen Ampelüberweg nur sehr langsam überqueren. "Wenn ich da zügig um die Ecke biege, muss ich den Lenker reflexartig herumreißen und einen Bogen fahren", schildert er die Situation.

Ein weiteres Problem sind Autofahrer, die zu weit in die Kreuzung hineinrutschen und ihren Wagen nur selten zurücksetzen. "Plötzlich taucht eine Autonase vor mir auf, die ich umschiffen muss", sagt der 47-Jährige. Mamuzić absolviert täglich ein abendliches Fitnessprogramm.

Er wünscht sich, dass sein Job ihn noch viele Jahre lang ernähren kann. Als Selbstständiger muss er für das Rad, die verschiedenen Reifensets, die Funktionskleidung und die Versicherung aufkommen. Sein Verdienst bemisst sich prozentual am "eingefahrenen" Umsatz.

Und obwohl in diesem und im letzten Jahr "konjunkturbedingt" weniger vorweihnachtliche Präsente zu transportieren waren, mangelt es nie an dringlichen Papieren, Aktenordnern oder CD-Roms, die von einer Rechtsanwaltskanzlei oder von einer Bankfiliale zur nächsten geschickt werden. "Das geht schneller und ist sicherer als auf dem Postweg", sagt der Kurier - bei jedem Wetter. Im Winter plane er einfach ein wenig mehr Kulanzzeit mit ein.

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