Süddeutsche Zeitung

Digitalisierung:Chat mit dem Chef

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Unterhaching hat diese Woche bei der Bürgerversammlung erstmals einen Live-Stream geprobt - mit Erfolg. Andere Gemeinden wie Oberhaching pochen dagegen auf das Erscheinen ihrer Bürger

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Kurz unterbricht Rathaussprecher Simon Hötzl den Redefluss seines Chefs: "Dazu hätten wir auch gleich noch eine Frage aus dem Chat." Was nach Polit-Talk im Fernsehen klingt, nach Zuschauerreaktionen etwa bei "Hart, aber fair", hat eine viel geringere Reichweite. Dafür handelt es sich bei diesem Format um ein Novum, nämlich die erste Unterhachinger Bürgerversammlung mit Live-Übertragung im Internet. Dabei konnten die Leute am Mittwochabend von zu Hause aus nicht nur zuhören, was Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD), Landrat Christoph Göbel (CSU) und der neue Leiter der Polizeiinspektion, Siegfried Graf, zu berichten hatten. Sie konnten sich auch direkt an einer Fragerunde beteiligen.

Nicht immer steht Unterhaching einer Direkt-Übertragung aus dem Kultur- und Bildungszentrum oder dem Sitzungssaal im Rathaus so aufgeschlossen gegenüber. Zumindest der Gemeinderat hatte kürzlich erst abgelehnt, dass es zukünftig eine Online-Teilnahme an den Sitzungen geben könnte. Die Vereinbarkeit von Ehrenamt, Familie und Beruf und die Möglichkeit einer Verbesserung der Inklusion hatten CSU und Grüne im Sinn, als sie im Sommer für eine Überarbeitung der Geschäftsordnung zum Zweck der Umsetzung von Hybrid-Sitzungen warben, aber nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit dafür bekamen. Bei der Bürgerversammlung am Mittwoch wagten nun Bürgermeister und Verwaltung den Sprung ins digitale Zeitalter. So konnten sich nicht nur die etwa 50 Zuschauer im Kubiz über aktuelle Themen in der Gemeinde informieren und ihre Anliegen vortragen. Auch 60 weiteren Interessierten wurde so eine Teilnahme ermöglicht.

Der Aufwand für einen solchen Live-Stream ist allerdings nicht zu unterschätzen. Ein Techniker betreute die Übertragung, Hötzl behielt den Chat im Auge. Wer online teilnehmen wollte, musste sich zuvor anmelden. Von den Leuten im Saal musste nicht nur der coronabedingte 3G-Nachweis geprüft werden, sondern zusätzlich eine Einverständniserklärung eingeholt werden, weil sie möglicherweise im Bild zu sehen waren. So ganz begeistert sei er von der Übertragung zunächst nicht gewesen, gestand Bürgermeister Panzer nach der Veranstaltung. Zwar habe er kein Problem damit, dass die Leute seine Rede live zu Hause an ihren Bildschirmen verfolgen können. "Aber man kann ja nie ganz ausschließen, dass das nicht doch jemand mitschneidet", so Panzer. Und dann wisse man nie, was mit dem Material gemacht werde.

Am Ende waren aber nicht nur Hötzl und dessen Kollgen ganz zufrieden, dass die Technik gut funktioniert hat. "Wir hatten Testseher, die Übertragung war stabil", so der Rathaussprecher. Auch Panzer fand, dass alles ganz gut gelaufen sei. Die Fragen, die sowohl aus dem Saal als auch aus dem Netz kamen, überraschten kaum; es waren die für wenig aufregende Bürgerversammlungen üblichen Beiträge: Geschwindigkeitskontrollen in verkehrsberuhigten Zonen, Zebrastreifen an Kreisverkehren, Einbahnstraßenregelungen, Hochwasserschutz am Bach, Fassadenbegrünung an hässlichen Neubauten. Nichts, wovor sich ein Bürgermeister fürchten müsste, auch online nicht.

In der Nachbargemeinde Oberhaching reagierte Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) in der jüngsten Gemeinderatsitzung ablehnend auf eine Anfrage von Claudia Schmidt-Utzmann. Die FDP-Gemeinderätin befürwortet eine Live-Übertragung der Bürgerversammlung am 23. November und hätte gerne darüber diskutiert. Doch stellte Schelle klar, dass er selbst das zu entscheiden habe, ob die Veranstaltung online geht. Er verwies auf Datenschutzprobleme, wollte sich aber auch nicht darauf einlassen, dass ausschließlich seine Rede übertragen wird. Schelle ist der Ansicht, die Leute sollen hingehen, wenn Bürgerversammlung ist.

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SZ vom 16.10.2021
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