Süddeutsche Zeitung

Brenner Basistunnel:Angstvoller Blick auf die Röhre

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Mit dem Fortschreiten der Arbeiten am Brenner Basistunnel wächst an den Bahn-Zulaufstrecken die Nervosität. Lokalpolitiker erwarten eine starke Zunahme des Güterverkehrs. Im Landkreis München steht die Debatte am Anfang

Von Stefan Galler, Landkreis

So langsam wird es ernst mit dem Bau des Brenner-Basistunnels (BBT) - und damit gehen auch die Planungen für die unterschiedlichen Zulaufstrecken nach und nach los. Schon seit Sommer 2006 läuft der Bau einer Röhre für die Eisenbahn, die künftig Österreich und Südtirol zwischen Innsbruck und Franzensfeste/Fortezza verbinden wird. Mit seinen 55 Kilometern gilt der Durchstich als zweitlängster Tunnel der Welt nach dem Gotthard-Basistunnel. Ursprünglich hatten die Planungen vorgesehen, dass der Tunnel bis zum Jahr 2025 fertiggestellt sein soll, mittlerweile gibt es Tendenzen, dass es sogar bis 2032 dauern wird, ehe die ersten Züge in dieser Röhre die Alpen unterqueren.

Der BBT ist als Teil einer insgesamt 2200 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsachse zwischen Berlin und Palermo vorgesehen, weshalb nun auch die Diskussionen über die Zulaufstrecken immer lauter werden. Denn, so drückt es Otto Bußjäger, Freie-Wähler-Kreisrat aus dem Landkreis München, aus: "Die Züge können ja nicht mit dem Hubschrauber an den Brenner gebracht werden."

In den Landkreisen Rosenheim und Ebersberg etwa ist diese Debatte bereits seit etwa einem halben Jahr am Laufen. Der Ebersberger Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer (SPD) nahm schon mal vorsorglich den Kampf gegen den mutmaßlich zusätzlichen Lärm auf, den weitere Züge höchstwahrscheinlich verursachen werden. Zumal der ursprünglich vorgesehene Tunnel zwischen München-Trudering und Grafing nicht kommen wird, was vor allem an den Kosten eines solchen Mammut-Projektes liegt: Bei 50 Millionen Euro pro Kilometer würde diese Zulaufstrecke insgesamt rund 2,6 Milliarden Euro kosten.

Also dürfte es darauf hinauslaufen, dass entweder zusätzliche Gleise verlegt werden - oder schlichtweg die bestehenden Verbindungen häufiger frequentiert werden. So oder so wird auf die ein oder andere Gemeinde, auch im Landkreis München, eine höhere Belastung im Bereich Schienenverkehr zukommen. Die Bahn will die von Norden kommenden Züge an der Landeshauptstadt vorbei leiten und direkt Richtung Mühldorf und Rosenheim lenken. Im östlichen Landkreis dürften unter anderem die Gemeinden Haar, Feldkirchen und Kirchheim betroffen sein.

Otto Bußjäger ist viel daran gelegen, das Thema hierzulande präsenter zu machen. Zuletzt meldete er sich im Mobilitäts- und Infrastrukturausschuss des Landkreises mit einer Anfrage zu Wort: Es sei an der Zeit, sich auf den aktuellen Stand zu bringen und bei Bahn und den entsprechenden politischen Kanälen über die Planungen zu informieren. "Da werden auf Landkarten irgendwelche Striche in die Landschaft gemalt und die Bürger wissen gar nicht, auf was sie sich da einstellen müssen", sagt der frühere Grasbrunner Bürgermeister auf SZ-Nachfrage. "Wir müssen jetzt erfahren, wie konkret die Pläne bereits sind. Nur so können wir verhindern, die Bürger zu verunsichern. Wir müssen mit den Menschen reden, bevor große Proteste anlaufen."

In Kirchseeon im Landkreis Ebersberg hat sich bereits eine "Bürgergruppe für Sicherheit und Lärmschutz an der Bahn" gegründet. Die Mitglieder kritisieren zum Beispiel, dass im Landkreis Rosenheim der Informationsfluss zwischen Bahn, Politik und Bevölkerung wesentlich besser funktioniert. Dort würden sich Mandatsträger für bestmöglichen Lärmschutz und eine Tunnellösung einsetzen, dagegen würden sich die Aussichten der Menschen, die in Ebersberg entlang der Bahnstrecke lebten, ständig verschlechtern, sagt etwa Ludwig Steininger, einer der Aktivisten der Bürgergruppe. Zuletzt fand ein Fachgespräch in Pöring im Landkreis Ebersberg statt, auf der Bahnsprecher Michael Schmidt erklärte, dass derzeit eine Ertüchtigung der Gleisanlagen zwischen Mühldorf und München, sowie zwischen Mühldorf und Rosenheim geprüft würden, der Landkreis München sei durch diese Ertüchtigung ebenfalls betroffen.

Während also allerorten eine lebhafte Diskussion über die Gefahren, aber auch die Chancen der Zulaufstrecken in Gang gekommen ist, sitzt man im Landkreis München offenbar weiterhin im Tal der Ahnungslosen. Landrat Christoph Göbel (CSU) erwiderte auf Bußjägers Anfrage im Ausschuss, dass sich noch niemand an das Landratsamt gewandt habe, was Streckenverlauf oder Lärmschutz anbelangt, weder die Bahn, noch der Freistaat oder gar der Bund. Bußjäger ärgert es, dass man hier nach seinem Eindruck vorsätzlich Informationen vor den zuständigen Landkreispolitikern zurückhält: "Ich bin der Meinung, wenn man in Vaterstetten dieses Thema diskutiert, muss man es auch in Haar tun."

Er hat nun den nächsten Schritt getan und sich mit einem offenen Schreiben an den Bundestagsabgeordneten für den Münchner Landkreis, Florian Hahn, gewandt. Darin bietet Bußjäger dem CSU-Politiker an, "ein parteipolitisch-neutrales Podium" für eine Informationsveranstaltung zu organisieren. Er betont, dass dieses Thema "parteiübergreifend für unseren Landkreis von großer Bedeutung " sei und mahnt bei Florian Hahn eine rasche Hinwendung zu der Problematik an: "Die Planungen der Bahn sind derzeit von großer Dynamik geprägt. Deshalb wäre eine zeitnahe Einbindung aller Betroffenen sehr wünschenswert."

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Quelle:
SZ vom 25.03.2015
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