Süddeutsche Zeitung

Baumsterben:Tiefer Einschnitt im Auwald

Lesezeit: 3 min

80 Prozent der Bäume an der Isar bei Ismaning sind Eschen. Weil ihnen ein Pilz zusetzt, müssen sie wohl alle früher oder später gefällt werden. Bis junge Setzlinge nachwachsen, dauert es Jahrzehnte.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Ein Spaziergang durch den Auwald ist für viele Menschen Mittel zur Entspannung. Der Blick auf das satte Grün der Bäume entlang der nördlichen Isar gibt Kraft und lässt den stressigen Arbeitstag verblassen. Michael Matuschek hat die Beziehung zum Wald zu seinem Beruf gemacht, bei jedem Handgriff ins Unterholz ist spürbar, wie sehr der Förster Natur und Bäume schätzt. In diesen Tagen allerdings geht sein Blick eher sorgenvoll nach oben, wenn er durch die Isarauen in Ismaning schreitet, die zu seinem Revier zählen.

Das Eschentriebsterben hat dem Wald stark zugesetzt in den vergangenen Jahren, doch man hatte stets Hoffnung, dass einige Eschen resistent sein könnten gegen den Auslöser, einen aus Japan eingeschleppten Pilz. Die Hoffnung allerdings hat sich mehr und mehr zerschlagen. "Wir haben im Auwald etwa 80 Prozent Eschen - und derzeit geht die Überlebenschance leider gegen bull", sagt Matuschek. Im Spätherbst werden deshalb Harvester anrollen und zahlreiche Bäume gefällt werden müssen. Sonst drohen Äste der abgestorbenen Eschen herabzufallen, bei Sturm könnten im schlimmsten Fall ganze Stämme umknicken.

Die Eschen sind nicht die einzige Baumart im Landkreis, die derzeit der Säge zum Opfer fällt. Im Revier Höhenkirchen hat der Buchdrucker, eine Borkenkäferart, sich im vierten Jahr in Folge in Massen vermehrt und die Fichten befallen, große Flächen Walds mussten umgelegt werden. Die Käferlöcher genannten Kahlstellen werden noch über Jahrzehnte hin zu sehen sein. Die Vorstellung, dass es so heftig auch im Auwald kommen wird, treibt nun die Ismaninger um. "Das ist natürlich keine schöne Perspektive", sagt Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) angesichts der unübersehbaren Auswirkungen des Eschentriebsterbens.

Die Gemeinde und die übrigen Eigentümer - die Bayerischen Staatsforsten, der Erholungsflächenverein und das Wasserwirtschaftsamt - prüfen nun ihre Bestände. Wie stark sind die einzelnen Eschen bereits befallen, müssen sie gefällt werden und wenn ja, wann? Auch mit den Nachbarn in Unterföhring, Garching und München will Greulich Kontakt aufnehmen. "Das Eschentriebsterben macht ja nicht an der Ismaninger Gemeindegrenze Halt." Auch aus dem Münchner Stadtgebiet und dem Englischen Garten gab es bereits Befallsmeldungen. Greulich hofft zumindest auf eine dosierte Entnahme.

Fällen ist die Ultima Ratio

Für die Behörden in Ismaning geht es nun vor allem um die Verkehrssicherheit, an der Hangkante, wo der Auwald an die Wohnbebauung heranreicht, und auf den Waldwegen. Der Isarradweg, der am Hochufer entlang von Norden bis nach München führt, wird täglich von vielen Radlern, Joggern und Spaziergängern genutzt. Betreiber des Radwegs und damit zuständig für die Verkehrssicherheit ist der Landkreis. Man erhebe derzeit den Umfang der erkrankten Eschen, heißt es aus dem Landratsamt. Gemeinsam mit den Grundeigentümern, den betroffenen Gemeinden und dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg (AELF) werde man dann die notwendigen Maßnahmen festlegen. Bäume fällen sei "Ultima Ratio". Es sei immer ein Abwägungsprozess, sagt Förster Matuschek. Auf der anderen Seite der Abwägung steht im Zweifel eine Sperrung des Isarradwegs. Auch keine sehr attraktive Alternative, schließlich wollen alle Beteiligten die Hauptwege für die Erholungssuchenden langfristig erhalten.

Im Taxetwald mussten Waldarbeiter im vergangenen Winter schon Eschen auf einer Fläche von gut vier Hektar fällen. Die Fläche wird nun neu bepflanzt, mit Hainbuchen, Ulmen, Ahorn oder Erle. Auch für die Isarauen setzt Förster Matuschek auf eine geeignete Mischung, damit der Wald in Zukunft nicht mehr so anfällig ist für einen Schädling. Spitz- und Bergahorn oder Heckenkirsche bieten sich als Ersatz an. Bis die jungen Setzlinge die Höhe und Masse jener 150 Jahre alten Esche erreichen, an deren stolzen, 34 Meter aufragenden Stamm heute nur noch ein Stumpf am Wegesrand erinnert, wird es allerdings dauern. Das weiß auch Matuschek. "Da tut einem schon das Herz weh", sagt er. Auch den Hunderten Spaziergängern, die sich vielfach an die Gemeinde wenden, wenn sie Fällungen beobachten.

Den geschlagenen Eschenstämmen sieht der Laie den Befall nicht an. Doch Pilz und Folgeschädlinge lassen den Baum seine Wasseradern verschließen. "Für die Waldbesitzer kommt das Problem hinzu, dass der Preis verfällt, obwohl die Esche ein sehr gutes Holz hat", erklärt Georg Kasberger, Leiter des AELF in Ebersberg und Matuscheks Chef. Weil das Angebot zwangsweise eben sehr groß ist derzeit.

Förster Matuschek bleibt trotz allem optimistisch. "Ohne die Eschen haben andere Baumarten, die viel Licht brauchen, wie die Eiche nun wieder Chancen", sagt er und verweist auf eine Fläche, wo in den vergangenen Jahren gefällt wurde und heute bereits viele junge Bäume sprießen. Er setze aus Erfahrung großes Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Natur, sagt Matuschek. Das einzige Problem daran: "Die Natur arbeitet eben nicht in den Zeiträumen, in denen der Mensch denkt."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4102499
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.08.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.