Süddeutsche Zeitung

Aying:Filmmusik im Flow

Lesezeit: 4 min

Jungkomponist Lennart Kling hat mit einem Freund in zwei Monaten ein Album produziert

Von Angela Boschert, Aying

Mit dem hübschen Titel "The Eagle that Protects us" beginnt das erste Album des Komponistenduos Victonika. Dahinter stecken die Schüler Lennart Kling und Nicolas Jacoby, die die 10. Klasse des musischen Gymnasiums in Höhenkirchen-Siegertsbrunn besuchen. Das Album, dessen Stücke oft filmmusikalischen Charakter atmen, ist Ergebnis eines konsequent durchgezogenen Planes. Die SZ sprach mit dem 2004 in München geborenen und in Aying lebenden Lennart Kling, der sich nicht nur als Komponist kreativ entfaltet.

SZ: Ist es richtig, dass Sie ihr jüngstes Album "Earl" in nur gut zwei Monaten produziert haben?

Lennart Kling: Die Idee zu dem gemeinsamen Album von uns hatte ich im Januar. Ich wusste den Titel "Earl" und habe ihn Nicolas mitgeteilt. Auch meinen Plan, es im Mai oder Juni zu veröffentlichen. Wir haben gemeinsam Titel gesucht, unter denen man sich etwas vorstellen kann, und dann hat jeder von uns seine Stücke komponiert, Nico neun, ich zehn: erst schnellere, kraftvollere Titel mit größerem Ensemble, dann weniger aggressive mit weniger Instrumenten. Das titelgebende Stück "Earl" ist von uns gemeinsam. Den April hatten wir als Zeitpuffer für Organisatorisches eingeplant.

Das heißt, Sie haben die ganze Musik in der kurzen Zeit komponiert, neben der Schule?

Ich kann glücklicherweise schnell komponieren, wenn ich im Workflow bin. Ich habe mein Keyboard in Griffweite und genieße es, wenn ich mehrere Stunden an einem Stück mit dreißig oder vierzig Stimmen tüftle. Nico denkt, wie ich glaube, mehr nach, bevor er die Noten setzt und einspielt. Wir haben uns nur für die Komposition von "Earl" oder organisatorische Fragen getroffen, zuletzt per Videokonferenz.

Wie genau komponieren Sie "sehr schnell"?

Meistens suche ich mir am Klavier ein Thema, eine Melodie, die beschreibt, was der Titel des Stücks ausdrückt. Dann überlege ich mir, welche Instrumente diese Stimmung am besten präsentieren, zum Beispiel Posaunen und Schlagwerk, wenn sie bedrohlich oder düster ist.

Denken Sie jetzt an ein bestimmtes Stück des Albums?

Das Stück "Cerberus" ist, wie der Titel erwarten lässt, bedrohlich und voller Action. Es klingt bisweilen kriegerisch, vor allem durch die tanzende Melodie der Geige, die von einem dunklen Cello und Schlagwerk begleitet wird. Die mexikanischen Trompeten und Gitarren bringen dazu ungewöhnliche Klänge ein. Das vorletzte Stück "Rule" hingegen hat einen bewegten Grundrhythmus, da es eine Antwort auf das zarteste Stück des Albums, das wunderschöne Klavierstück "Princess" von Nico sein soll. "Rule" ist mein großer Abschwung, bevor Nico im letzten Stück "Forget about the Thrones" die Themen aller vorangehenden Stücke noch mal anklingen lässt. Besonders viel Mühe haben wir beide uns beim Titelstück "Earl" gegeben. Ich habe die Tonart und einige Grundthemen in meiner pompösen Einleitung festgelegt. Nico hat schöne Streicherakkorde folgen lassen und meine Themen weiter gesponnen, bis ich ihm, als wir schon weit komponiert hatten, das Ruder aus der Hand gerissen habe und zu seinem Entsetzen, später zu seinem Vergnügen, das Stück mit einem düsteren, sehr perkussiven Synthesizer abgeschlossen habe.

Das Album ist auf der online-Plattform Soundcloud erschienen. Verfolgen Sie die Klickzahlen?

Mein Stück "Eden" wird am häufigsten aufgerufen. Ich weiß nicht, ob wegen des Titels oder wegen der Musik. Wenn sich ein Stück hervortut, pushen wir es nicht noch weiter. Das Ziel von Victonika ist, dass unsere Promotion ausgeglichen ist. Ist ein Track von uns beliebter, dann wollen wir verdeutlichen, dass dieses Stück von einem der Victonika-Komponisten ist. Wir wollen als Einheit auftreten.

Steckt dieser Gedanke im Ensemblenamen?

Hm, ja und nein. Victonika ist eine Zusammenstellung verschiedener Namen: Victoria beziehungsweise Nike ist die römische Göttin des Sieges und Tonika bezeichnet die Grundtonart eines klassischen Musikstücks. Es steckt auch die Heilige Veronika in dem Namen, die Jesus das Schweißtuch gereicht hat. Das ist ein bisschen religiös, aber ich verstehe sie als Unterstützerin. Da wir als eine Einheit gesehen werden wollen, steht Sieg vielleicht für hohe Klickzahlen, und Veronika mahnt uns, uns gegenseitig zu unterstützen.

Stilistisch sollte es auch passen. Wie sieht Ihre bisherige Musikausbildung aus?

Seit früher Kindheit habe ich viel Musik gehört. Irgendwann habe ich begonnen, jede gehörte Stimme der Lieder auf dem Klavier nachzuspielen und zu analysieren. Dadurch bekam ich eine Vorstellung vom Aufbau der Musikstücke. Zuerst intonierte ich eigene Melodien, bis zwei Hände und 88 Tasten nicht mehr genügten und ich begann, am Computer mit einem Notenschreibprogramm zu komponieren. Kompositionsunterricht habe ich nie gehabt. Ich spiele am liebsten auswendig beziehungsweise nach Gehör. Anfang dieses Jahres hatte ich den Gedanken, Musik auch zu veröffentlichen. Dafür mussten die Klänge eine bessere Qualität, als in meinem Notenschreibprogramm haben, daher mache ich jetzt alle Musik mit Programmen, die Plug-Ins wie Streichensembles und ähnliches anbieten, die Melodien habe ich im Kopf. Nico ist übrigens Orgelschüler von Dekanatskantor Christoph Demmler in der Michaelskirche Ottobrunn.

Die drängenden, oft perkussiven Themen Ihrer Stücke erinnern an Filmmusik.

Filmmusik hat mich schon immer fasziniert, insbesondere die zu "The Dark Knight" von Hans Zimmer, der Comicverfilmung des Batman-Mythos; später auch Ramin Djawadis "Game of Thrones" und John Powells "Kung Fu Panda" und andere. Ich will nach dem Abitur Komposition von Film- oder Orchestermusik studieren.

Sie haben schon früh begonnen, auf dem Klavier eigene Melodien zu entwerfen. Sie schreiben aber auch noch ein Buch.

Ich arbeite an einem Fantasy-Roman über vier Kinder, die auf unserer Erde waren und in die Fantasy-Welt zurückkehren, in der sie aufgewachsen sind. Die Story ist sehr komplex, aber noch nicht beendet. Jetzt verfolge ich erst einmal, wie sich unser Musikalbum "Earl" entwickelt.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2020
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