Süddeutsche Zeitung

Ausstellung in Unterhaching:Mutige Frauen gesucht

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Eine Schau im Rathaus zeigt, wie weibliche Abgeordnete im Bayerischen Landtag Politik gestaltet haben. 100 Jahre nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts hofft Grünen-Politikerin Claudia Köhler auf mehr couragierte Mitstreiterinnen.

Von Anna-Maria Salmen, Unterhaching

Rund einen Monat ist es her, dass das Europaparlament Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt hat. Die deutsche Politikerin ist damit die erste Frau, die das wichtigste Amt in der EU übernimmt. Nicht nur auf europäischer Ebene mussten Frauen lange für Gleichberechtigung kämpfen. An die Parlamentarierinnen, die in den gut 100 Jahren seit Einführung des Frauenwahlrechts im Bayerischen Landtag Politik gestaltet haben, erinnert die Ausstellung "Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!", die seit Montag im Unterhachinger Rathaus zu sehen ist. Sie bietet Einblick in die tägliche Arbeit und in die Erfolge der Politikerinnen, stellt die Frauen aber auch persönlich vor: Wer waren sie, wofür setzten sie sich ein?

Bereits seit April 2019 tourt die Wanderausstellung durch Bayern, die Termine waren schnell ausgebucht. Die Landtagsabgeordnete und Unterhachinger Gemeinderätin Claudia Köhler (Grüne) konnte sie dennoch in ihren Stimmkreis holen. Gemeinsam mit den Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde, Evi Karbaumer, Julia Mittermeier und Waltraud Rensch, erinnerte sie bei der Eröffnung an die Bedeutung von Frauen in der Politik. Die Hälfte der Menschheit sei schließlich weiblich, sagte Karbaumer. Dem stimmte Köhler zu: "Nur in der Zusammenarbeit wird tatsächlich die Gesellschaft repräsentiert. Oft gehen Frauen anders ran an die Themen und im Dialog, in der Debatte erweitern dann beide Geschlechter die eigene Sichtweise und finden hoffentlich zu guten Lösungen."

Köhler und Karbaumer nahmen die Vernissage zum Anlass, um zu fragen: Wie steht es heute um die Gleichberechtigung? Im Bundestag sind mehr als doppelt so viele männliche Abgeordnete vertreten wie weibliche. Nachdem der Frauenanteil im Landtag lange Zeit gestiegen war, ist er zuletzt wieder auf 26,8 Prozent gesunken. Und auch in der Kommunalpolitik sieht es nicht viel besser aus: Gerade einmal 208 von insgesamt 644 gewählten Stadt- oder Gemeinderäten der 29 Kommunen im Landkreis sind Frauen, nur fünf Bürgermeisterinnen gibt es.

"Wir brauchen aufgeklärte Männer."

Woran liegt das, in einer Zeit, in der die Forderung nach Gleichberechtigung immer lauter wird? Köhler ist überzeugt, dass vielen Frauen noch der Mut fehlt, den Sprung in die Politik zu wagen. In Frauenworkshops, die die Landtagsabgeordnete momentan häufig besucht, hört sie Ausreden wie "Später mal" oder "Ich weiß nicht". Gerade mit kleinen Kindern sei die Situation vage, man wisse nicht, wie das eigene Leben sich weiterentwickelt und ob ein politisches Engagement hineinpasst.

Um das zu ändern, forderte Köhler "gesellschaftliche, politische und soziale Rahmenbedingungen, dass Frauen ihre Möglichkeiten ergreifen können". Für berufstätige Frauen mit Kindern sei Entlastung wichtig, damit sie sich neben der Familie engagieren können - und da seien auch die Männer gefragt. Es müsse selbstverständlich werden, dass auch Väter in Elternzeit gehen oder Teilzeit arbeiten. "Wir brauchen aufgeklärte Männer, die die Ungleichheit und Ungerechtigkeit sehen, Macht abgeben und Frauen unterstützen", sagte Köhler. "Denn Gleichberechtigung ist kein Thema für die Frauen, Gleichberechtigung ist ein Thema für die ganze Gesellschaft." Köhler plädierte zudem für verbindliche Quoten. "Da, wo solche Regelungen für die Aufstellung von Listen für die Kommunalwahl existieren, da gibt es auch tatsächlich mehr Frauen in den Gremien", merkte auch ihre Kollegin Karbaumer an.

Ortsverbände der Parteien bieten gute Möglichkeiten

Damit ist jedoch noch nicht alles getan. "Gerade jetzt, wo es auf die Kommunalwahl zugeht, ist die Ermutigung wichtig", sagte Köhler. Die Ausstellung soll deshalb auch Frauen inspirieren und ihnen veranschaulichen, was sie erreichen können. Gleich am Eingang können die Besucherinnen ein großes, buntes Plakat betrachten. Es zeigt die Gesichter vieler Frauen, die seit 1946 in Bayern Politik gestaltet haben - darunter Kerstin Schreyer, Natascha Kohnen, Susanna Tausendfreund und Claudia Köhler. Einige Felder auf dem Plakat sind leer. Karbaumer sieht diese als Symbol: Es soll zeigen, "dass es noch Platz gibt für mehr Frauenpower und dass jede Frau aufgerufen ist, ihre Erfahrungen und Ideen in die Politik einzubringen". Gerade die Ortsverbände der Parteien bieten laut Köhler gute Möglichkeiten dafür. Auf die Kommunalwahl 2020 blickt die Landtagsabgeordnete mit Zuversicht. Zumindest auf vielen Listen der Grünen sehe es gut aus mit der Gleichberechtigung. Karbaumer prophezeit gar: "Wenn wir in der Zukunft wieder eine solche Ausstellung machen, wird der Platz nicht reichen, weil dann so viele Frauen in den Gremien sitzen werden."

Bis 23. August können Interessierte die Ausstellung "Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!" noch im Unterhachinger Rathaus sehen.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2019
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