Süddeutsche Zeitung

Gedenken:Der US-Bomber über Aschheim und sein Crash

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Im Zweiten Weltkrieg stürzt der Pilot im Osten Münchens ab. 70 Jahre später begibt sich sein Sohn auf Spurensuche.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Es war der 18. März 1944, als die Geschichte der Familie von Michael Eberhardt aus Dallas, Texas, mit jener der Gemeinde Aschheim verknüpft wurde. An diesem Tag startete der Bomber des Typs B 17, genannt "Little Audrey", als Teil der US-Luftstreitkräfte von England aus, um den Flugplatz Gablingen bei Augsburg zu bombardieren. Zehn amerikanische Soldaten waren an Bord, unter ihnen Lieutenant Charles Eberhardt, Michael Eberhardts Vater. Doch der Flug endete jäh.

Wegen schlechten Wetters musste der Bomber seine Route ändern und nahm nun Kurs auf München. Dort geriet das Militärflugzeug durch deutsche Soldaten unter Beschuss. Über Aschheim wurde ein Motor getroffen - allerdings von der Bombe eines über ihm fliegenden US-Flugzeugs. Die Tragfläche fing Feuer, die Maschine stürzte ab. Charles Eberhardt und sechs seiner Kameraden konnten noch mit dem Fallschirm abspringen, drei Besatzungsmitglieder kamen beim Aufprall ums Leben. Eberhardt hatte Glück im Unglück: Ein Aschheimer Bauer, der gerade im Wald arbeitete, entdeckte den Soldaten in einem Baum. Er holte ihn herunter und brachte ihn zunächst in sein Haus.

Die Detektivarbeit konnte starten

Dass Michael Eberhardt diese Details heute weiß, verdankt er unter anderem Josef Eimannsberger. Der 67-Jährige hat sich seit bald 30 Jahren der Geschichtsforschung verschrieben und verfolgt insbesondere die Spuren von abgestürzten und verschollenen Flugzeugen. In ganz Bayern hat er schon Wrackteile entdeckt und Einschlagstellen ausfindig gemacht und konnte so einige Kriegsszenarien rekonstruieren.

Auch das Feld in Dornach, auf dem Charles Eberhardts B 17 Bomber vor mehr als 70 Jahren abgestürzt ist, konnte Eimannsberger mit Unterstützung weiterer Forscher, darunter Unterwasser-Archäologe Lino von Gartzen aus Starnberg, dem Aschheimer Heimatforscher Peter Stilling und Museumsleiterin Anja Pütz, schließlich ausfindig machen.

"Mike Eberhardt war ganz baff, dass wir ihm so helfen", erinnert sich Eimannsberger heute mit einem Lächeln. 2014 hatte Eberhardt sich an die Gemeinde gewandt und so auch Eimannsbergers Detektivarbeit ins Rollen gebracht. Der Flugzeugforscher begab sich in Archiven sowie in Aschheim auf die Suche nach Spuren und Erinnerungen, setzte nach und nach die verschiedenen Puzzleteile zusammen.

Ein Zeichen der Verbundenheit

In Adolf Finkenzeller fand er einen Zeitzeugen, der als Bub den Absturz des US-Bombers beobachtet hatte und die Einschlagstelle auf einem Acker verorten konnte. Diesen Ort werden Eberhardt, Eimannsberger und die Aschheimer Forscher an diesem Sonntag, 23. April, gemeinsam besuchen, um dort ein Totengedenken abzuhalten. Mitglieder des Aschheimer Krieger- und Veteranenvereins begleiten die Veranstaltung, die ein Zeichen der Verbundenheit in deutsch-amerikanischer Freundschaft und zur Mahnung gegen jegliche Form des Krieges sein soll, erklärt Anja Pütz.

Die drei Besatzungsmitglieder, die beim Absturz ums Leben kamen, wurden 1944 als Gefallene auf dem Aschheimer Gemeindefriedhof beigesetzt, mit einer ordentlichen Trauerfeier, sagt Pütz. Dieses Vorgehen lässt nachträglich auf die Menschlichkeit der Aschheimer Bevölkerung schließen - und bewahrte den Ort aller Wahrscheinlichkeit nach vor Vergeltungsmaßnahmen, als die Amerikaner am 1. Mai 1945 als Siegermacht nach Aschheim einfuhren.

Charles Eberhardt und weitere Überlebende der Little-Audrey-Besatzung waren nach dem Absturz in Kriegsgefangenschaft gekommen, wie Eberhardt selbst in Aufzeichnungen vermerkt hat. Er kehrte 1945 zu seiner Familie zurück. Von seinen Kriegserlebnissen in Europa aber erzählte er nie, sagt sein Sohn Michael Eberhardt.

Erst Jahre nach dem Tod seines Vaters 1986 entdeckte Eberhardt sein Interesse für dessen Geschichte - und begann nachzuforschen. In Archiven in den USA, bei Familien ehemaliger Kameraden - zwei der Besatzungsmitglieder der "Little Audrey" konnte er noch treffen - und schließlich in Aschheim.

Mehrere Bücher zur Weltkriegsgeschichte

Er habe sicherstellen wollen, sagt er, dass seine Familie die Kriegserfahrungen seines Vaters kenne. Inzwischen hat Eberhardt, der heuer seinen 70. Geburtstag feiert, selbst mehrere Bücher über seine Nachforschungen zur Weltkriegsgeschichte verfasst. Durch seine Arbeit habe er viele wertvolle Bekanntschaften gemacht, sagt Eberhardt. Unter anderem mit Josef Eimannsberger und den Aschheimern.

2014 besuchte der Amerikaner zum ersten Mal die Gemeinde und die Absturzstelle der B 17 seines Vaters. Seither hat Eimannsberger weitere Details über die Geschichte herausgefunden, sogar zwei Metallsplitter des Flugzeugs hat er auf dem Acker entdeckt. "Es ist oft wie ein Krimi", sagt der Flugzeugforscher. Ein Krimi, der manchmal Menschen zusammenbringt.

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Quelle:
SZ vom 22.04.2017
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