Süddeutsche Zeitung

Landgericht München:Rentnerin darf trotz Kündigung in Wohnung bleiben

Lesezeit: 1 min

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Trotz Eigenbedarfs der neuen Eigentümerin muss eine kranke Rentnerin ihre Wohnung in Schwabing nicht räumen. Das Landgericht München I hat die Interessen der 71 Jahre alten Frau über die der Vermieterin gestellt. Der Mieterverein begrüßt diese Entscheidung: "Gerade für kranke und ältere Menschen, die aufgrund einer langen Wohndauer wie hier an ihre Umgebung gewohnt und damit fest verwurzelt sind, ist ein Umzug nicht zumutbar." Ohnehin sieht der Mieterverein mit Sorgen, dass die Zahl der Eigenbedarfskündigungen in München zunimmt.

Seit 1965 wohnt die Münchnerin in dem selben Haus an der Schwabinger Zieblandstraße. Erst lebte sie mit ihrem Sohn zusammen, der inzwischen gestorben ist. Einmal ist sie innerhalb des Anwesens umgezogen. Die nunmehr 71-Jährige ist schwer krank und muss morphinhaltige Schmerzmittel einnehmen.

Die neue Eigentümerin kaufte diese Zweizimmerwohnung im Jahr 2010. Sie leide selbst unter Arthrose, sagte sie jetzt vor Gericht, und es falle ihr schwer, die drei Treppen zu ihrer derzeitigen Wohnung zu gehen. Die von ihr gekaufte Schwabinger Wohnung liege dagegen im ersten Stock.

"Dazu kommt, dass angemessener Ersatzwohnraum in München kaum zu finden ist"

Die 14. Zivilkammer des Landgerichts hat nun entschieden, dass die Mieterin auf unbestimmte Zeit in ihrer angestammten Wohnung bleiben darf. Ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien schwerwiegender als die der Eigentümerin. Das Gericht betonte zudem die Verwurzelung der Rentnerin in ihrem Viertel. Außerdem bekomme die neue Eigentümerin 880 Euro Miete im Monat, das sei genau so viel, wie sie selbst für ihre derzeitige Wohnung bezahlen müsse, stellte das Gericht fest (Az.: 14 S 1174/15).

"Dazu kommt, dass angemessener Ersatzwohnraum in München zu zumutbaren Bedingungen kaum zu finden ist", so kommentiert Volker Rastätter, der Geschäftsführer des Mietervereins München, das Urteil. "Immer mehr Vermieter kündigen ihren Mietern und berufen sich darauf, die Wohnung selbst oder durch einen nahen Angehörigen nutzen zu wollen", sagt er. "Allein im Jahr 2015 haben wir über 900 Beratungen dazu durchgeführt - 2013 waren es noch unter 300."

Ein Grund für diesen Anstieg dürfte seiner Meinung nach die Tatsache sein, dass sich eine leere Wohnung auf dem Münchner Immobilienmarkt sehr viel teurer verkaufen lasse als eine vermietete. Sollte der Eigenbedarf allerdings nur vorgeschoben sein, sagt Rastätter, könne man nachträglich einen beträchtlichen Schadensersatz vom jeweiligen Vermieter bekommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2980897
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.05.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.