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Landgericht München:Beinbruch in den Stachus-Passagen

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Hell und freundlich sollte der Boden werden, doch er ist auch ziemlich rutschig: Nach Unfällen mit schweren Verletzungen in den Stachus-Passagen gibt es mehrere Klagen. Eine Frau aus Starnberg verlangt nun 21.000 Euro Schmerzensgeld.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Hell und freundlich sollte er werden. Doch tatsächlich entpuppte sich der neue Terrazzo-Fußbodenbelag in den Stachus-Passagen als gefährliche Rutschfalle. Vor dem Landgericht München I gibt es nach Unfällen mit schweren Verletzungen bereits Klagen: Am Dienstag wurde der Fall einer 60-jährigen Bankkauffrau aus Starnberg verhandelt.

In dem Verfahren wurde rasch deutlich, dass die beklagte Betreibergesellschaft den Prozess nur zu gerne ohne öffentliche Begleitung beenden würde - offenbar möchte man einen Präzedenzfall vermeiden, vermutete in der Sitzung der Anwalt der Verunglückten.

"Der Fuß ist ab"

Genau vor zwei Jahren war die Starnbergerin unter dem Stachus auf Höhe der Central Apotheke gelaufen. Sie trug Ballerinas mit Gummisohlen, die sie dem Einzelrichter der 11. Zivilkammer nun zeigte. Und sie machte auch vor, wie sie über den Absatz weggerutscht war und sich bös den Fuß verdreht hatte: Schienbein- und Knöchelbruch. Zwei Polizisten hätten ihr aufhelfen wollen. Sie habe aber abgewunken: "Der Fuß ist ab." Das Bein schwillt heute noch an, schmerzt sehr oft. Und der letzte Nagel wird für immer zur Stabilisation im Knochen bleiben müssen.

"Die wird wohl bald bei uns auf der Station liegen", habe sie damals angesichts der Gestrauchelten gedacht, sagte nun eine Patientenseelsorgerin aus dem Innenstadtklinikum als Unfallzeugin vor Gericht. "Und so war es dann auch." Sie kenne die Stachus-Passagen seit Jahren, schilderte sie. Der Boden sei zu dieser Zeit speziell für Leute mit Ledersohlen oder Kunststoffabsätzen recht glatt gewesen. Vor allem bei Nässe "kam man am besten mit Gummisohlen durch", erinnert sie sich. Seither sei dauernd etwas an dem Bodenbelag abgeklebt oder bearbeitet worden.

"Lebensgefährliche" Rutschpartien

Als der neue Belag der Stachus Passagen Ende 2009 endlich fertig war, berichteten Passanten in Münchner Zeitungen schon bald von "lebensgefährlichen" Rutschpartien. "Das Drama am Boden" titelte ein Boulevardblatt. Als die ersten Klagen angedroht wurden, verteidigte das Management den Belag zwar als TÜV-abgenommen und richtlinienkonform. Aber vielleicht habe man die viele Nässe aus dem Bereich der Treppen anfangs unterschätzt, hieß es. Anti-Rutsch-Streifen wurden verklebt und der Boden aufgeraut.

Vielleicht haben die zahllosen Passanten über die Jahre den Boden wieder geglättet, mutmaßt nun Rechtsanwalt Marc Zinka, der dem Gericht viele Presseartikel aus dieser Zeit über die "Rutschfalle" vorlegte. Er will auch die Sprecherin des Managements als Zeugin in den Gerichtssaal holen - schließlich habe diese sich damals schon zu dem Dauerärgernis öffentlich geäußert.

Ob es aber dazu kommt? Die Anwälte beider Seiten verabredeten am Dienstag vertrauliche Vergleichsgespräche. Klar ist jetzt schon, dass die Starnbergerin bei den geforderten rund 21 000 Euro erhebliche Abstriche machen muss.

Die Beklagte wird wohl auch verlangen, dass über Schmerzensgeld- und Schadensersatzsummen nicht öffentlich gesprochen werden dürfte, falls der Kompromiss zustande käme. Scheitern diese Gespräche aber, will das Gericht am 4. September weiter verhandeln.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2014
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