Süddeutsche Zeitung

Landgericht:Aussagen im Waffenhändler-Prozess doch nicht abgesprochen

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Von Martin Bernstein

Im Prozess gegen den Waffenhändler des Münchner OEZ-Attentäters hat die Staatsanwaltschaft einen Rückzieher machen müssen. Wichtige Belastungszeugen hätten ihre Aussagen eventuell "eingeübt" und sich abgesprochen, das hatte Staatsanwalt Florian Weinzierl noch am vergangenen Verhandlungstag gesagt. Am Mittwoch, dem letzten Prozesstag vor den Weihnachtsferien, zeigte sich indes: Die vorgelegten Abhörprotokolle stützen diese Einschätzung offenbar nicht.

Opferanwalt Yavuz Narin warf dem Staatsanwalt daraufhin eine möglicherweise bewusste Täuschung der Öffentlichkeit und der Verfahrensbeteiligten vor: "Oder war es Fahrlässigkeit?" Weinzierl hatte vor einer Woche nach kurzfristiger Durchsicht von zehn Bänden aus Köln übersandter Akten die Glaubwürdigkeit mehrerer Zeugen in Zweifel gezogen. Der Vorsitzende Richter Frank Zimmer machte deutlich, dass Bemerkungen wie die der Staatsanwaltschaft von vergangener Woche "nullkommanull Bedeutung" für die Kammer hätten. Er sagte: "Diese zwei Sätze hätte man sich eventuell sparen können."

Offenbar geht aus abgehörten Telefongesprächen der Zeugen nur hervor, dass Mitglieder der Kölner Familie F. sich nach ihrem Auftritt vor Gericht über ihre Aussagen unterhalten haben, als der Sohn Uwe F. seine Eltern vom Bahnhof abholte. So die Darstellung von Opferanwälten. Staatsanwalt Weinzierl sagte am Mittwoch, man müsse sich "das genau anschauen".

Dazu freilich wird es wohl nicht mehr kommen. Denn die von Weinzierl vorgelegten Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung durch die Kölner Ermittler aus einem anderen Verfahren werden im Münchner Prozess voraussichtlich gar nicht verwendet werden. Richter Zimmer hielt zwar die "überraschende und kurzfristige" Vorlage der Abhörprotokolle durch die Staatsanwaltschaft für richtig, äußerte aber "gravierende Bedenken" gegen deren Verwertung. Dem stimmten sowohl Verteidiger als auch Staatsanwalt ("keine Aspekte, die dringend eingeführt werden müssten") zu, ebenso die Nebenkläger.

Diese wiesen aber darauf hin, dass es in den Unterlagen neben Abhörprotokollen auch weitere Vermerke gebe. Und in denen habe man "interessante Anhaltspunkte im Zusammenhang mit Elke F." gefunden. Der Ex-Frau von Uwe F. wurde von diesem, von seiner Schwester und von seinen Eltern vor Gericht vorgeworfen, von der Planung der Münchner Bluttat im Vorfeld gewusst, sie möglicherweise sogar unterstützt zu haben. Das hatten F. und seine Eltern zuletzt in einem Beitrag des ARD-Politmagazins Report Mainz wiederholt. Die Nebenklagevertreter Onur Özata, Seda Basay und Yavuz Narin fordern deshalb ein neuerliches Erscheinen des Leverkuseners als Zeuge vor Gericht.

Bei seinem ersten Auftritt Ende August hatte der 34-Jährige die Aussage verweigert. Er fühle sich bedroht, sagte er damals und kündigte an: "Wenn für meine Sicherheit garantiert werden könnte, könnte ich weitere Aussagen machen." Per Fax ließ er am Montag das Landgericht jedoch wissen, er sei dazu derzeit weiterhin nicht bereit. Die aktuelle Bedrohungslage, behauptete F., habe sich für ihn sogar noch verschlimmert.

Die Verhandlung wird am 10. und am 15. Januar im Justizpalast fortgesetzt. Danach zieht der Prozess in den Hochsicherheitssaal nach Stadelheim um. Die Nebenkläger wollen dann unter anderem wissen, warum die Akten zu Uwe F. so bereitwillig herausgegeben wurden, über die Ermittlungen gegen dessen Ex-Frau aber nichts zu erfahren sei.

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Quelle:
SZ vom 21.12.2017
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