Süddeutsche Zeitung

Laim:Zuflucht im Bürogebäude

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Ein Versicherungskomplex an der Elsenheimerstraße ist mit 500 Bewohnern derzeit die größte Flüchtlingsunterkunft in München. Bei einem Tag der offenen Tür wird deutlich, dass die Anwohner ihren neuen Nachbarn mit gemischten Gefühlen entgegensehen

Von Andreas Hensler, Laim

Der Hauptbahnhof in München wurde im September 2015 Schauplatz der Zeitgeschichte. Während des Höhepunktes der Flüchtlingskrise gingen Bilder von helfenden Münchnern um den Erdball. Es war der Beginn einer politischen und gesellschaftlichen Debatte um den richtigen Umgang mit diesem Thema. Eine Diskussion, die bis heute andauert und auch in Laim die Anwohner der Elsenheimerstraße beschäftigt. Dort ist die in München derzeit größte Flüchtlingsunterkunft für bis zu 500 Personen eröffnet worden.

Hinter der grünen Baumallee, welche die Straße im Stadtteil Laim säumt, steht das für die neuen Anforderungen renovierte Bürogebäude, das zuvor eine Versicherung nutzte. Die Fensterfassade ist, wie für solche Häuser typisch, verspiegelt. Am Mittwoch endeten die Blicke der Passanten nicht wie üblich an der Fassade, die jedes vorbeifahrende Fahrzeug reflektiert, sondern die Stadt München ermöglichte den Anwohnern bei einer Besichtigung Einblicke in das Innere. Ein Termin, wie ihn die Stadt München bei allen Unterkünften in der Vergangenheit angeboten hat.

Im Gebäude zieht sich ein kreisrunder Flur durch das erste Obergeschoss, in welches die neuen Bewohner ab August einziehen. Die Zimmer sind für jeweils zwei bis sechs Personen ausgelegt. Darin pro Bett ein Spind für persönliche Sachen, nebenan Küchen für die Selbstverpflegung sowie Wasch- und Aufenthaltsräume.

Zahlreiche Anwohner nutzten an diesem Tag die Möglichkeit zur Besichtigung der Unterkunft - und das aus ganz unterschiedlichen Beweggründen. "Ich arbeite an einer Schule und möchte mir ein Bild machen, wie die Bewohner hier untergebracht sind. Auch ich werde im nächsten Schuljahr voraussichtlich Kinder unterrichten, die hier wohnen", sagte eine junge Lehrerin.

Eine andere Anwohnerin bekennt in emotionalen Worten, dass sie sich nicht mehr sicher fühlt und Angst hat. Eine Nachbarin berichtet von ihrer eigenen Fluchterfahrung, als sie während des Zweiten Weltkriegs Hals über Kopf Berlin verlassen musste. Ihr Begleiter kommentierte: "Ich bin überzeugt, dass die Stadt München hier eine gute Arbeit leistet. Dennoch erwarte ich als Steuerzahler, der das Ganze finanziert, dass sich unsere neuen Nachbarn integrieren und dass es keinen Ärger gibt." Nach seinem Empfinden würden manche Anwohner "in ihrem Sicherheitsempfinden überreagieren". Dennoch wünscht er sich, dass die Befürchtungen ernst genommen werden. Die Stadt München ist unterdessen mit dem Termin zufrieden. "Es lohnt sich immer, mit den Anwohnern in das Gespräch zu kommen, um Unklarheiten auszuräumen", sagt Frank Boos, Sprecher des Sozialreferats.

Die ersten Bewohner sind bereits Ende Mai eingezogen. Die Einrichtung wird von unterschiedlichen Hilfsorganisationen betreut. Die Caritas ist in der Unterkunft für die soziale Betreuung der Bewohner zuständig: "Wir sind mit fünf Beratern, drei Assistenten und zwei Kinderbetreuern hier" erklärt Raphael Weller, einer der Asylsozialarbeiter der katholischen Hilfsorganisation. Die Johanniter betreiben die Unterkunft für die Stadt und organisieren die Sicherheitskräfte. Zudem bieten sie einen Kurs für die Bewohner an, der den Teilnehmern den Einstieg in den Pflegeberuf ermöglichen soll. Die Flüchtlinge haben dabei überdies die Chance, Deutsch zu lernen. "Mit den Kursen wollen wir den Flüchtlingen etwas beibringen, sie beschäftigen und natürlich schauen wir auch, wer sich dabei gut anstellt," sagt Peter Fischer, einer der zehn Hausservicekräfte der Johanniter.

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Quelle:
SZ vom 28.07.2017
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