Süddeutsche Zeitung

Laim:"Fahrradhölle" und Randale

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Bei der Bürgerversammlung gibt es Klagen über rivalisierende Jugendgangs, Ruhestörungen und die chaotische Verkehrsführung in der Unterführung. Seniorenresidenz schließt wegen Schimmelbefall

Von Christina Seipel, Laim

Josef Mögele (SPD), der Vorsitzende des Laimer Bezirksausschusses (BA), hat genau nachgerechnet: 583 Tage sind vergangen, seit die letzte Bürgerversammlung in Laim stattfand, das war am 19. November 2019. "Eine lange Zeit", in der "nicht alles beim Alten geblieben" ist. Nicht nur die Verhaltensregeln für die Teilnehmer haben sich seit der letzten Versammlung coronabedingt drastisch geändert, auch das Stadtteilgremium tritt seit den Kommunalwahlen in anderer Zusammensetzung auf.

Von einer weiteren Neuerung im Viertel konnten sich die rund 170 Bürger, die am Donnerstagabend in die Schrobenhausener Straße 17 gekommen waren, ebenfalls ein Bild machen: Die neue Dreifachturnhalle der Schrobenhausener Grund- und Mittelschule, die 2019 noch Baustelle war und nun als Versammlungsstätte dient. Hinter den dicken FFP2-Masken bewiesen die Laimer Durchhaltevermögen: Mehr als vier Stunden nahmen sie sich Zeit, um ihre Änderungswünsche im Viertel vorzutragen.

Erfreuliches präsentierte zunächst die Polizei: Die Straftaten seien rückläufig, und auch die Verkehrsunfälle im Viertel haben stark abgenommen, erläuterte Martin Bachmaier, Leiter der Polizeiinspektion 41 (Laim-Hadern) in seinem Sicherheitsbericht. "Eine Entwicklung, die wir alle mit Sorge betrachten" sei, dass die Gewalt gegenüber Polizeibeamten zugenommen habe. Ebenfalls beunruhigend sei der Anstieg von Delikten unter Jugendlichen. Bürger berichteten später von Jugendlichen, die, in Gruppen organisiert, randalierend und pöbelnd durch Laim ziehen. Nicolai Fischer, Geschäftsführer beim Sportverein München Laim, erzählte von vermehrten Sachbeschädigungen durch rivalisierende Gangs auf dem Gelände an der Riegerhofstraße. Auch Eigentum von Anwohnern werde zerstört. "Das Problem ist gravierend", klagte ein Anwohner der Agnes-Bernauer-Straße. Er erzählt von drei Strafanzeigen, die er wegen Aggression, Bespucken und Beschädigung seines Fahrzeugs gestellt habe. Auch die Wohnqualität in Laim leide darunter. Wegen der Pöbeleien und nächtlichen Ruhestörungen seien ältere Nachbarn bereits ausgezogen. "Wir sind mittlerweile ratlos." Auch von starkem Drogenkonsum und -handel um den Kiosk in der Agnes-Bernauer-Straße ist die Rede.

"Wir haben die Dinge im Blick und im Griff", versicherte Dienststellenleiter Bachmaier. Erst am Donnerstag sei einer der Haupttäter verhaftet worden - mehr als sechs Haftbefehle waren es, seit er die Inspektion im November übernommen hatte. Eine Ursache des Problems sieht der Polizeioberrat auch in den durch die Pandemie bedingten Einschränkungen. Viele der jugendlichen Täter würden nicht in "Wohlfühloasen" aufwachsen. "Wo konnten diese Jugendlichen hin?". Mit "Präsenz, Kontrollen und Platzverweisen" versuche die Polizei, das Problem in den Griff zu bekommen. Auch die Prävention sei ein wichtiger Bestandteil.

Für einen Aufreger sorgte in der Versammlung die angekündigte Schließung der Seniorenresidenz am Westpark. "Was ist der aktuelle Stand?", wollte ein Bürger wissen, dessen Mutter dort wohnt. Im März habe die 95-Jährige erfahren, dass sie bis Ende 2022 ausziehen muss, da die Einrichtung dringend generalsaniert werden müsse. Der Betreiber begründe dies damit, dass er die Bewohner nicht der "unzumutbaren Lärm- und Staubbelästigung" aussetzen wolle. Bei den Heimbewohnern sorge das Vorgehen für "starke Irritation", sagt der Bürger. Rund 400 ältere und gebrechliche Menschen sind von dem Auszug betroffen. Der Pflegebereich sei bereits aufgelöst. Die Stadt sei mit dem Fall befasst, berichtete Eva-Maria Huber, die Leiterin der Abteilung Altenhilfe und Pflege im Sozialreferat. Grund für den Auszug sei, dass das Gebäude "sehr von Schimmel befallen" und mit Asbest belastet sei. Der Betreiber habe angeboten, den Umzug zu begleiten und finanziell zu unterstützen.

Auch das Dauerthema Laimer Unterführung kam an diesem Abends zur Sprache. Die chaotische Verkehrsführung und der Platzmangel stelle weiter ein Sicherheitsrisiko dar, mahnte BA-Chef Mögele. Auch über den Weg zur Unterführung kamen Klagen. Die Fahrradverbindung zur geplanten Umweltverbundröhre müsse besser werden, forderte ein Bürger. Die Fürstenrieder Straße sei eine "Fahrradhölle" mit vielen Unfallrisiken, ebenso wie der Laimer Kreisel. Verbreiterte Radwege und die Einbindung des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs sollen die Zufahrt für Radfahrer künftig verbessern.

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SZ vom 26.06.2021
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