Süddeutsche Zeitung

Länger hier als in der Heimat:"Wir sind Münchner"

Shadije und Sabri Hotnjani kamen 1968 aus Jugoslawien

Von Vincent Suppé

"Ich bin die erste Albanerin, die nach München gekommen ist", sagt Shadije Hotnjani stolz. Das war 1970. Ihr Mann Sabri arbeitete da schon ein Jahr lang bei MAN. 1972 wechselte er zu Siemens, war dort als Elektromonteur 35 Jahre lang beschäftigt. Eine Gastarbeiter-Geschichte wie viele andere. Aber Shadije Hotnjani macht sie besonders: Sie läutete den Familiennachzug ein.

Shadije, 69, und Sabri Hotnjani, 70, gehören zur ersten Generation der Gastarbeiter, die durch das Anwerbeabkommen von 1968 nach Deutschland kamen. Fast 50 Jahre leben sie jetzt hier. "Sie hat in der Schule Deutsch gelernt, ich Russisch", erzählt Sabri Hotnjani. Das machte seine Frau zur begehrten Fachkraft. Sie arbeitete als Verkäuferin, als Übersetzerin, später als Lehrerin an der Volkshochschule. "Deutsch für ausländische Arbeitnehmer." Ihr Mann montierte währenddessen das Mischpult am Residenztheater. Beide finden: "Wir hatten und haben ein glückliches Leben hier." Schnell zogen sie aus dem Wohnbaracken in Karlsfeld in eine eigene Wohnung. Spätestens als 1983 ihr Sohn geboren wurde war klar, dass sie nicht zurückkehren werden. Die Kosovo-Urlaube wurden seltener. Die Verwandten sind über die ganze Welt verstreut. Zuhause sprachen die Eheleute Albanisch und waren doch mitten im Stadtgeschehen. Olympia 1972, Konzerte von Udo Jürgens und - "für zwei D-Mark damals" - Muhammad Ali im Circus Krone. Shadije Hotnjani hält bis heute Kontakt zu den Siemens-Kollegen. Ihren Sohn betrachtet Sabri Hotnjani als Münchner - und seine Frau Shadije sagt: "Wir sind auch Münchner. Wir sind ja länger hier als in der Heimat."

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Quelle:
SZ vom 05.12.2018
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