Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Kleiner Diskurs

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"Annen May Kantereit" und ihr Gastspiel im Zenith

Von Ramona dinauer, München

Von Journalisten als "Langweiler mit schlechten Schlagreimen" zerrissen und von ihren Fans mit Platz eins der Albumcharts gefeiert - die Band mit dem melodischen Namen Annen May Kantereit löst sowohl Verachtung bei einigen Musikkritikern als auch Begeisterung bei Radiostationen aus. Warum aber die ganze Aufregung? Ohne eine nennenswerte politische Botschaft oder philosophische Tiefe zu transportieren, bleiben Annen May Kantereit lieber ihrem Motto und Albumtitel "Alles nix Konkretes" treu. Ob eine Band allerdings immer politisch werden muss, wenn sie eine zweifelsohne großartige Live-Performance liefert, ist die Gretchenfrage des Annen-May-Kantereit-Diskurses.

Die 17-jährige Janine würde diese Frage wohl mit Nein beantworten, genau wie so viele andere Mädchen mit weißen Turnschuhen und Annen-May-Kantereit-Turnbeuteln. Seit vier Stunden steht sie in der Menschenmenge am Eingang des Zenith, um auf Henning, Chrissy, Severin und Malte zu warten. Für Janine ist es schon das fünfte Konzert der Band, das sie besucht, um immer wieder dieselben Songs mitzusingen. Mittlerweile wohnen die Kölner zusammen in einer WG und können von ihrer Musik leben. Eine junge Frau, bei der die Band einmal zu Gast war, spielt die Posaune zu "Bitte bleib". Auch Severin Kantereit beweist mit einem stürmischen Solo am Schlagzeug rhythmisches Talent.

Die größte Stärke ist selbstverständlich Henning Mays markante Reibeisen-Stimme. Während May mit charmantem Grinsen hinter dem Mikro tanzt, singt das gesamte Publikum im Zenith "Es tut mir leid, Pocahontas". Zu "Barfuß am Klavier" leuchten mehr Feuerzeuge als Smartphones in der Menge auf. "Danke an die Raucher", sagt der 25-Jährige. Auch wenn sich die Band eher unbeeindruckt von Kritik zeigt und ihr Understatement zelebriert, stellt May zwischen zwei Liedern fest, dass sie, im Gegensatz zu Andreas Bourani, ihre Songs selbst schreiben. Annen May Kantereit haben also doch eine Meinung.

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Quelle:
SZ vom 15.03.2017
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