Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Fließend

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Lorenz Kellhuber spielt im Trio in der Unterfahrt

Von Ralf Dombrowski, München

In den letzten Septembertagen vor 15 Jahren waren die Vereinsmitglieder sprachlos. Damals feierte der Förderkreis Jazz und Malerei sein erstes Vierteljahrhundert in der Unterfahrt, als in der Konzertpause der zu dieser Zeit noch in München lebende Plattenproduzent Siggi Loch an sie herantrat und meinte, er habe es sich gut überlegt, er schenke dem Club einen Steinway. Seitdem hat bis auf ein paar Weltstars, die sich partout nicht in die Einsteinstraße locken lassen, so ziemlich jeder, der in der Szene einen Namen hat, auf diesem Instrument gespielt. Wahrscheinlich kann nur noch der Flügel im New Yorker Village Vanguard auf mehr Berühmtheiten verweisen.

Die Seuche will's, dass die große Geburtstagstorte ausbleibt, immerhin zwei souveräne Gratulanten aber haben sich doch eingefunden. Nach dem Schweizer Pianisten Colin Vallon am vergangenen Freitag hat nun auch ein Münchner Kindl dem Flügel die Ehre erwiesen und sich mit zwei Trio-Konzertsets den Klangoptionen des Instruments gewidmet. Lorenz Kellhuber war mit Bassist Felix Henkelhausen und Schlagzeuger Moritz Baumgärtner zu Gast, um sein Konzept des freien musikalischen Flusses zu präsentieren. Bislang dafür bekannt, aus vorhandenen Song-Strukturen ein weit schweifendes Farbspektrum harmonischer und melodischer Varianzen zu entwickeln, reizt es ihn inzwischen mehr, sich von einengenden Vorgaben zu lösen, die der Intuition des Augenblicks entgegenstehen.

Das Konzert war klar gegliedert, stellte in einem fluiden, kommunikativen Block die Energiephasen gegenüber, spielte mit Kontrasten von Fülle und Rücknahme oder Expressionsdichte und postromantischer Innerlichkeit. Man ahnte die Freiheit, spürte aber auch das Bedürfnis der Experimentatoren, die sichere Basis von Puls und Tonalität nicht zu verlassen. Das Kellhuber Trio ist erst am Anfang eines Weges der künstlerischen Selbstfindung. Aber die Richtung ist gewählt, und der Steinway harrt geduldig derer, die da wiederkommen mögen.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2020
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