Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Besonderer Kniff

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Das Duo "Grandbrothers" im Ampere

Von Martin Pfnür, München

Nein, die enge Verbindung zwischen den Grandbrothers Erol Sarp und Lukas Vogel ist keine verwandtschaftliche, wie es der Name ihres Projekts womöglich suggeriert. Sie besteht, zumindest oberflächlich betrachtet, vielmehr aus einem gewaltigen Kabelsalat, der von Vogels Laptop direkt in Sarps Steinway Flügel hineinführt, und so für eine herrliche Form der Symbiose steht. Denn wo der besagte Kabelsalat zum einen dafür sorgt, dass die beiden Musiker an den gleichen Klangkörper angeschlossen sind, ist er ebenso sehr Ausdruck für die Verbindung zwischen Klassik und Moderne; zwischen dem zutiefst romantischen Geist, den Sarp mit seinem Spiel am Flügel evoziert, sowie einem ausgeprägten Pop-Appeal und der Körperlichkeit kontemporärer Clubmusik, welche Vogel vom Rechner aus beisteuert.

Nun mögen Hybridklänge wie diese heute an sich keine große Neuerung mehr sein. Und doch ist es ein sehr besonderer Kniff, mit dem die Grandbrothers ihre Brücken schlagen. Er beruht auf einem Konzept der Klangmanipulation und Vervielfachung, wie Vogel während des Konzerts in einem kurzen Exkurs erklärt. So werden die Motive, die Erol Sarp als klassischer Part des Duos einspielt, sogleich von Lukas Vogel gesampelt und mit Effekten versehen, während er gleichzeitig mittels elektromechanischer Hämmerchen Saiten und Korpus des Pianos manipuliert und modifiziert.

Live ergibt das eine Musik, die dem beglückten Publikum im gut gefüllten Ampere gleichermaßen ins Herz und in die Beine fährt. Stücke wie das tausendschön pochende und gleitende "Bloodflow", in dem Vogel die feinen Klangpartikel Sarps aufeinanderschichtet und auch mal in Chopinsche Polka-Figuren verwandelt, versetzen die Anwesenden da ebenso in Schwingung, wie dunkel ausklingende Kompositionen im Stile von "1202", dessen Kraft sich zwischen perkussiven Akzenten und archaischer Wucht aus dem Bass-Register entfaltet, oder das elegisch kreiselnde "Rotor", in dem Vogel verwaschene Synthie-Schlieren kreiert, ohne dabei einen Synthesizer zu verwenden. Famos!

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Quelle:
SZ vom 21.04.2018
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