Süddeutsche Zeitung

Kunstvereine:Ein bisschen was geht immer

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Bayerns Kunstvereine lassen die Hoffnung nicht fahren. Sie zeigen ihre Arbeiten, wo es nur möglich ist. Auf mobilen Plakatwänden in den Innenstädten, im Netz und sogar im Impfzentrum

Von Sabine Reithmaier

Einigeln und Winterschlaf halten oder nach neuen Wegen suchen, um doch noch ein Publikum zu erreichen - recht viele andere Möglichkeiten haben die bayerischen Kunstvereine während des Lockdowns nicht. Einige haben sich so sehr verkrochen, dass sie auf Anfragen und E-Mails nicht reagieren. Andere dagegen stemmen sich kraftvoll gegen das Vergessenwerden und haben sich neue Räume erschlossen.

Paradebeispiel ist der Kunstverein Straubing, der mit 80 Arbeiten von 42 Künstlern das Impfzentrum der Stadt in einer Messehalle bespielt ( SZ vom 15.1.). Sollte das Impfen demnächst mal so richtig losgehen, wird es wohl kaum eine besser besuchte Ausstellung geben. Aktiv agiert auch der Neue Kunstverein Pfaffenhofen. Zwar ist "Licht 2.0" mit Lichtkunst, Kinetik und Projektionen an verschiedenen Orten der Innenstadt beendet, dafür tourt die Freiluftausstellung "Vierte" gerade durch die Region. Im Augenblick macht sie gerade Station im benachbarten Rohrbach.

Eigentlich war die Gruppenausstellung mit 30 Künstlern erst für 2023 geplant. Doch der Verein war sich schnell einig, dass Pandemie-Zeiten neue Konzepte erfordern und entschied sich für Künstler-Plakate, angebracht auf 18 Metallständern, unter anderem mit Motiven von Benjamin Badock, Andreas Dill, Wolfgang Ellenrieder, Benedikt Hipp, Katharina Immekus, Rosa Rauscher oder Christoph Ruckhäberle. Das Projekt startete im August 2020 in Pfaffenhofen, zog dann nach Geisenfeld, ist aktuell in der Rohrbacher Ortsmitte zu sehen und wandert demnächst nach Manching weiter. Einzige Bedingung des Kunstvereins: Der jeweilige Bauhof baut die Plakatständer ab, transportiert sie in die eigene Stadt und baut sie dort auf. Jeweils ein Plakat wird ausgetauscht und um einen Künstler aus dem neuen Ort ergänzt. Im Falle von Rohrbach war das der Maler Gerd Dengler, der die Geisenfelder Künstlerin Nelly Weissenberger ersetzte.

So viel Außenaktivität ist aber eher selten. Der Kunstverein Ingolstadt erklärt auf seiner Internetseite kurz und bündig "Sorry, We're closed", und zwar bis 30. April. Annika Hipplers Ausstellung "Heliotropium" hat er vorsorglich auf Mai oder Juni verschoben. In Coburg wandert man online durch die Jahresausstellung, während der Rosenheimer Verein in seinem lichten Saal doch tatsächlich die Ausstellung des Kemptner Künstlers Guido Weggenmann aufgebaut hat. Anfangs noch in der Hoffnung, der Lockdown würde im Januar enden. Inzwischen hat er die Ausstellungsdauer verlängert (bis 28.2.). Aber es sieht nicht gut aus für eine Eröffnung der "Letzten Ausfahrt", so der Titel. Das ist sehr schade, denn Weggenmann setzt sich in seinen Skulpturen und Installationen mit der prekären Lage auseinander, in der sich die Kulturwelt seit dem Ausbruch der Pandemie befindet. Seine Goldwaschanlage "Diggin' for Gold" signalisiert das verzweifelte Bemühen, sich über Wasser zu halten.

Einstweilen ist die Ausstellung über die Homepage und Instagram "zugänglich"; zu entdecken sind nicht nur Fotos, sondern auch kleine Filme, in der Weggenmann über seine Arbeiten redet. "Alles ein großer Aufwand", findet Elisabeth Mehrl, eine der Vorsitzenden des Vereins. "Aber für den Künstler und die Kunst ist es allemal besser so, als wenn wir die Ausstellung ganz abgeblasen hätten."

Ganz ins Virtuelle hat sich der Neue Kunstverein Aschaffenburg (KunstLANDing) zurückgezogen. Doch die virtuellen Rundgänge durch drei vergangene Ausstellungen sind wirklich empfehlenswert, allen voran "Sound". Die Schau bietet einen hervorragenden Überblick über die Klangkunst der Gegenwart, präsentiert sie doch sieben zeitgenössische Ansätze in ganz unterschiedlichen Raumgestaltungen. Lohnend auch der Rundgang bei den "Starken Frauen" mit Ulrike Donié, Christine Fiebig, Gerda Enk, Hildegard Elma, Melanie Wiora, Grit Reiss und Anne Pfeifer. "Unsere virtuellen Rundgänge sind ein Resultat unserer Haltung, die Kunst sichtbar stattfinden zu lassen", schreibt Vorsitzende Elisabeth Claus: "Virtuelle Welten sind ein Trost, aber kein adäquater Ersatz. Nichts kommt dem sinnlichen Erleben von Kultur gleich." Daher findet die nächste Ausstellung auch analog statt. "UND_news_from_now_ here" mit Gabriele Basch und Gesa Lange ist jedenfalls von Ende Februar an in den Räumen des Vereins aufgebaut.

Der Neue Kunstverein Regensburg, der normalerweise sechs Ausstellungen im Jahr mit auswärtigen Künstlern plant, hat das Glück, am Schwanenplatz über eine große Schaufensterfront zu verfügen. Die dort gezeigten Arbeiten von Mitgliedern wechseln jeden Monat, im Februar präsentiert Nicolette Spiegelberg ihre Arbeiten. Ähnlich handhaben es die Landshuter. Der Verein präsentiert in seinen Fenstern eine "Wochenschau". Der Titel sei vielleicht in bisschen irreführend, räumt Vorsitzende Ursula Bolck-Jopp ein. Da nicht viele Passanten unterwegs sind, bleiben die Installationen länger als sieben Tage bestehen. Im Augenblick bespielen Uli Schmid und Ute Haas die Fenster, die durch die tiefen Nischen wie kleine Guckkastenbühnen wirken. Demnächst folgen Geraldine Frisch und Wilfried Anthofer.

So viel Glück hat der Augsburger Kunstverein nicht. Das Holbein-Haus, in dem er die meisten seiner Ausstellungen zeigt, ist zwar ein sehr schöner Altbau, die kleinen Fenster eignen sich aber nicht für Präsentationen. Dem Vorsitzenden Christian Thöner bleibt daher gar nichts anderes übrig, als auf bessere Zeiten zu hoffen, zumal sein Verein ausschließlich Werke von auswärtigen Künstlern zeigt und häufig jungen künstlerischen Positionen jenseits kommerzieller Interessen einen Platz bietet. "Aber vor April planen wir keine Ausstellung", sagt Thöner. Ganz im Gegensatz zum Kunstverein München, der gerade die kommende Ausstellung "Hold" der Künstlerin Patricia L. Boyd aufbaut. Eröffnet wird, sobald es die Bestimmungen zulassen, hoffentlich im März. Außerdem präsentiert der Verein in seinem Schaufenster am Hofgarten den Film "A Recipe for Disaster" von Carolyn Lazard. Geplant ist auch eine neue digitale Veranstaltungsreihe mit dem Titel "Temperatures" (Start 23. 2., 19 Uhr). Für diese Onlinereihe kooperieren die Münchner mit den Kunstvereinen Bonn und Nürnberg. Den ersten Termin bestreitet der Kulturwissenschaftler und Philosoph Samo Tomšič.

Der Landshuter Kunstverein sucht übrigens gerade nach ausrangierten Zigaretten- oder andere Warenautomaten, die er mit Kunstwerken bestücken will. Wer eine Münze einwirft, erhält ein bisschen Kunst. Ein kleiner Trost in diesen Zeiten.

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Quelle:
SZ vom 11.02.2021
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