Süddeutsche Zeitung

Kritik am Projekt:Neues Gutachten zur Stammstrecke

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Von Andreas Schubert

Ist die zweite Stammstrecke eine Fehlplanung? Stimmt der vom Büro Intraplan errechnete Nutzen-Kosten-Faktor (NKF) nicht, der für Fördergelder vom Bund ausschlaggebend ist? Die Gegner des Tunnels sagen seit Jahren ja. Zu ihnen gehören unter anderem die Grünen, Teile der Freien Wähler, die Linke, der Bund Naturschutz (BN) und die Bürgerinitiative Haidhausen (BI). Sie stützen sich auf ein Gutachten des Beratungsbüros Vieregg-Rössler, das eben zu jenem Schluss kommt. Am Freitag haben BN und BI ein Gutachten vorgestellt, welches das Vieregg-Rössler-Papier und die offizielle, vom Büro Intraplan erstellte Nutzen-Kosten-Rechnung (NKU) vergleicht. Diese Vergleichsstudie, die im Auftrag des BN erarbeitet wurde, kommt zu dem Ergebnis, Vieregg-Rössler habe Recht.

Volker Stölting von der Technischen Hochschule Köln, Autor der Vergleichsstudie, sagte am Freitag, er sei unter anderem über die Betriebskosten gestolpert. Diese wurden bei der Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) im Jahr 2016 um zwei Millionen Euro niedriger angesetzt als noch im Jahr 2011 - und das bei 500 Millionen mehr Baukosten. Das sei nicht nachvollziehbar, so Stölting. Und auch die Lage der Bahnsteige in 40 Metern Tiefe wirke sich negativ aus. Sie verlängere die Reisezeiten deutlich, was den Faktor letztlich auf unter eins drücke. Zur Erklärung: Nur wenn der NKF über eins liegt, gilt ein Projekt als förderwürdig. Für die Stammstrecke liegt er bei knappen 1,05. Er empfehle, das Verfahren anzuhalten und "Ungereimtheiten" aufzuklären, so Stölting.

Das bayerische Innenministerium erklärt, die NKU entspreche den bundesweiten Vorgaben der sogenannten Standardisierten Bewertung. Bundesverkehrsministerium und Eisenbahnbundesamt seien eng in die Erstellung der NKU eingebunden gewesen. Man werte die Vergleichsstudie als erneuten Versuch, "einen dringend erforderlichen bedarfsgerechten Ausbau der Münchner S-Bahn zu torpedieren".

BN-Kreischef Christian Hierneis meint dagegen, der bis zu 3,84 Milliarden Euro teure Tunnel binde Fördermittel für andere Verkehrsprojekte. Man sei nicht gegen eine Stammstrecke, aber: "Der Tieftunnel ist die denkbar schlechteste aller Lösungen." Noch hoffen die Gegner auf einen Baustopp: Die Linke will Strafanzeige stellen, Details stellt die Partei am Montag vor.

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Quelle:
SZ vom 29.07.2017
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