Süddeutsche Zeitung

Konzert:Abgründiges Zwiegespräch

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Das Symphonieorchester des BR spielt unter der Leitung von Daniel Harding im Herkulessaal Schumann, Dvořák und Brahms.

Von Rita Argauer

An die psychischen Abgründe führt das Programm, das das Symphonieorchester des BR unter der Leitung von Daniel Harding im Herkulessaal spielt. Zu Beginn eher unbekannte Schauermärchen-Programm-Musik der Romantik. Schumanns Ouvertüre zu Lord Byrons Dramatischem Gedicht "Manfred". Und Dvořáks Symphonische Dichtung zur Ballade "Die Waldtaube". In der Gegenüberstellung aber funktioniert das als intensive Abbildung von dysfunktionalen Seelenzuständen.

Schumanns Ouvertüre ist die musikalische Entsprechung eines aufgewühlten Daseins. Die einzelnen musikalischen Phrasen werden permanent von Gegenstimmen durchkreuzt. Ein Zwiegespräch, dann eine innere Spaltung zwischen den Bläsern und den Streichern, die sich melodisch mehr und mehr durchsetzen. Das BRSO spielt diese beinahe schizophrene Gleichzeitigkeit mit brillanter Transparenz. Daniel Harding ist für diese hochdramatische Musik ein guter Partner. Er hat einen Sinn fürs Drama und fürs Lyrische. Er weiß, wie er Musik erzählen lassen kann, ohne auf stumpfes Pathos in den Effekten zu setzen. So gibt er der gleißenden Brillanz der Orchesterstimmen eine Wärme, einen klanglichen Zusammenhalt.

Das funktioniert auch bei Dvořáks "Waldtaube". Ein Stück, das eher linear erzählt. Eine Frau hat ihren Mann ermordet, um den Liebhaber heiraten zu können, kann aber ihre Schuld, symbolisiert durch den Vogel, nicht überwinden. Es beginnt mit einem Trauermarsch, dann folgt kurz eine volksliedhafte Idylle, bevor das Scherzo zu einem fahlen und melodisch verlorenen Tanz wird. Am Ende heben sich einstimmig die Geigen über die dunkle Pauke, wie ein noch vom Grauen überschatteter Morgen. Ein wankendes C-Dur entsteht, zitternd zirpt die Flöte wie der Vogel darüber. Eine Erlösung ist das nicht, aber eine Ahnung davon.

Die musikalische Erlösung folgt mit Brahms' Klavierkonzert Nr. 2. Absolute Musik, die hier nicht mehr als Träger einer Geschichte funktionieren muss, sondern aus einer musikalischen Konsequenz heraus wirkt. Aus dem mächtigen Kopfsatz entwickelt sich über vier Sätze ein eher sanftes und tänzerisches Finale. In Kirill Gerstein am Klavier hat Daniel Harding einen fulminanten Partner. Gerstein setzt auf Energie statt auf technische Kleinteiligkeit. Und Harding formt aus diesen musikalischen Wogen, die Gerstein mit dem Orchester tauscht, eine lyrische und ungemein musikalische Linie.

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