Süddeutsche Zeitung

Schenkung:Bilder, die mehr sagen

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Der Kunsthändler Konrad Bernheimer überlässt München und dem Jüdischen Museum zwei Lenbach-Gemälde. Sie zeigen seine Urgroßeltern. Doch vor allem sind sie ebenso wertvolle wie wichtige Dokumente der Geschichte der Stadt - aus deren guten wie schrecklichen Zeiten.

Von Susanne Hermanski, München

"Mit jedem Geschenk, dass die Stadt annimmt, übernimmt sie auch eine Verpflichtung." Anton Biebl, der Kulturreferent der Stadt München, sagt es. Wenn ein jüdischer Mitbürger seine mit Not vor den Nationalsozialisten gerettete Ahnengalerie einer Stadt überlässt, die vor wenigen Jahrzehnten noch die "Hauptstadt der Bewegung" genannt wurde und von der die brutalsten Verbrechen gegen Juden ausgingen, dann bedeutet dies: die größtmögliche Verantwortung. Und vonseiten des Schenkenden: das größtmögliche Vertrauen.

Diese Bilder haben die Shoa überdauert, Konrad Bernheimer nennt sie "die Familienheiligtümer". Am Montagabend hat der bekannte Kunsthändler diese Porträtbilder seiner Urgroßeltern sowie einige andere bedeutende Stücke aus dem Familienbesitz bei einem Festakt im Jüdischen Gemeindezentrum der Stadt übergeben. Gemalt hat die beiden auch kunsthistorisch interessanten Bilder Franz von Lenbach, mit dem Konrad Bernheimers Urgroßvater eng befreundet war. Im Lenbachhaus werden bereits Skizzen und fotografische Vorstudien zu diesen beiden Gemälden verwahrt.

Gewidmet hat Konrad Bernheimer diese Schenkung auch Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Jüdischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sie habe wie kein anderer gekämpft für den "großen Traum der jüdischen Münchner", dass sie wieder einen festen und sichtbaren Platz in der Stadt bekommen - eben jenes Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz. Charlotte Knobloch dankt ihm - vor allem im Namen der Stadt, denn Konrad Bernheimer, der weltgewandte "Münchner im Herzen", sei der lebendige Beweis dafür, dass der Grafiker Ephraim Moses Lilien mit seinem legendären Zitat vom Anfang des 20. Jahrhunderts eben doch nicht ganz recht gehabt habe. "München ist zwar eine Kunststadt ersten - aber eine Weltstadt letzten Ranges", sagte Lilien.

Das Schicksal der Familie Bernheimer jedenfalls ist fest verwoben mit dem Schicksal Münchens. Die Redner des Abends erinnern unisono noch einmal daran: Lehmann Bernheimer, der schon als kleiner Junge mit seinem Vater, einem Tuchhändler, gelegentlich nach München gekommen war, eröffnete 1864 seinen eigenen Laden am Salvatorplatz. Die Geschäfte florierten. Lehmann konnte bald in die Kaufingerstraße umziehen und später das bis heute als solches bekannte "Bernheimer Palais" bauen. Unter dessen Dach boten er und seine Familie all jenes an, was das emporstrebende Bürgertum für seine Villen und der Adel zur standesgemäßen Ausstattung seiner Schlösser begehrte: Teppiche, Kunst, Antiquitäten und ansehnliche Replika derselben. Schnell stieg Lehmann Bernheimer auf zum Königlichen Hoflieferanten und Geheimrat. Sein Sohn Otto, Konrads Großvater, übernahm das Geschäft.

"Hitler hat uns erst zu Juden gemacht."

"Wir waren vollkommen assimilierte Juden", sagt Konrad Bernheimer, der selbst streng katholisch erzogen worden ist, in seiner Rückschau. "Mein Großvater hat immer gesagt: ,Erst Hitler hat uns zu Juden gemacht'". Und obwohl Otto und seine Söhne nach der Machtübernahme von den Nazis im KZ Dachau brutal gefoltert worden waren, sie beraubt und enteignet worden sind und fliehen mussten, um ihr Leben zu retten, kam Otto noch im August 1945 aus dem Venezuelanischen Exil zurück nach München. Die beiden, neben einigen anderen Objekten aus dem Geschäftshaus geretteten Gemälde brachte Otto ebenfalls wieder an die Isar. Konrad Bernheimer hat all das in seinem 2013 erschienenen Werk "Narwalzahn und Alte Meister. Aus dem Leben einer Kunsthändlerdynastie" beschrieben.

Über die Bedeutung der Porträts von Lehmann und Fanny Bernheimer, dem Gründerpaar der Firma, die er selbst später übernahm, berichtet er ebenso wie über die vier Porträts seiner Ururgroßeltern, die nun ebenfalls in den Besitz der Stadt übergegangen sind. Des Weiteren schenkte Konrad Bernheimer noch einige andere Andenken, die er selbst launig "Bernheimerabilia" nennt. Zu sehen war ein Teil davon bereits im Jüdischen Museum, in dessen Eröffnungsjahr 2007. Ein Wiedersehen stellt Bernhard Purin, der Direktor des Jüdischen Museums, in Aussicht. In etwa drei Jahren plane er eine große Porträtausstellung, zu deren Kernexponaten die Schenkung beitragen würden.

In wenigen Tagen unterdessen gibt es schon ein Wiedersehen mit Konrad Bernheimer persönlich am St.-Jakobs-Platz. Am Dienstag, 26. Oktober, 18 Uhr, hält er dort einen Vortrag zum Thema "Rembrandt und seine jüdischen Nachbarn". Der Vortrag steht in der Reihe "Zwiesprachen zwischen Gestern und Heute" der Münchner Volkshochschule. Diese hat für den Herbst 2021 den Schwerpunkt "Erinnerung für die Zukunft - Jüdisches Leben in Deutschland" ausgerufen.

Anmeldung erforderlich: karten@ikg-m.de oder Tel. 202400491

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