Süddeutsche Zeitung

Konkunktur:Überholte Shopping-Busse

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Wirtschafts­ausschuss muss Verkehrskonzept zur Innenstadtbelebung vertagen

Von Christian Rost

Der konservative Münchner blickt immer dann gern nach Nordrhein-Westfalen, wenn es Touristen anzulocken gilt oder es schlagende Beispiele für eine verfehlte Wirtschaftspolitik braucht. Das hat gute Tradition, in NRW waren schließlich lange die Sozialdemokraten am Werk. Im Münchner Rathaus ist das zwar seit Jahrzehnten nicht anders, die hiesige SPD wird aber von der CSU als bayerisches Großstadtphänomen toleriert. Mit ihr geht man notfalls auch Bündnisse ein.

Der Seitenhieb auf NRW funktioniert trotzdem, und natürlich auch in Corona-Zeiten. Manuel Pretzl, Fraktionsvorsitzende der CSU im Münchner Stadtrat, bemüht also aktuell die Beispiele Gelsenkirchen und Dortmund. Pretzl deutet am Dienstag im Wirtschaftsausschuss auf den nach seinen Beobachtungen verheerenden Leerstand der Ladenflächen in den Metropolen und meint, München stehe im Vergleich noch gut da. Nur: Wie lange noch bleibt die - und nun ohne CSU-Beteiligung regierte - Landeshauptstadt Primus der Republik? Pretzls Parteifreund, Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner, ist angesichts der Pandemiefolgen und wegen des neuerlichen Lockdowns, den viele Geschäftstreibende so gar nicht als light empfinden, sehr viel vorsichtiger. Baumgärtner verzichtet als Pragmatiker auf Vergleiche mit anderen Bundesländern und mahnt, dass es auch in München "vielen Innenstadtbetrieben nass reingeht". Etliche Geschäftstriebe überlegten, ob sie überhaupt weitermachen sollten, wenn der Dezember nicht den erhofften Aufschwung für den Handel bringe. Es drohen also auch an der Isar Verhältnisse wie an Rhein und Ruhr.

Der Stadtrat will das über die Parteigrenzen hinweg mit allen Mittel verhindern, doch seine Mittel sind begrenzt - und seine Vorschläge von den Ereignissen überholt. Unter dem Tagesordnungspunkt "Unterstützung der Innenstadt" hat das Wirtschaftsreferat allerlei Anregungen der verschiedenen Fraktionen gebündelt jetzt auf den Tisch gelegt und zur Abstimmung gestellt. Die Palette reichte von der Hilfe für Senioren beim Einkaufen, über die Installation einer Einkaufs-App fürs Handy bis hin zur Erleichterung von Shoppingtouren für Geh- und Sehbehinderte. Alles gut, alles schön, stimmten die Fraktionssprecher zu. Doch den zentralen Punkt des Vorhabens, wie die Kunden in großer Zahl wieder zum Shopping gebracht werden können, vertagten sie notgedrungen. Eine Überlegung war, die Verkehrsangebote zu stärken, die Menschen gar mit Shopping-Bussen anzukarren. Ausgerechnet in Corona-Zeiten die Menschen dicht an dicht gedrängt in die Stadt zu schleusen, das schien letztlich aber doch ein wenig zu kühn. Über die bessere Erreichbarkeit der Innenstadtgeschäfte - egal ob mit dem Auto, dem ÖPNV oder dem Fahrrad - wollen die Stadträte nun erst wieder diskutieren, wenn Corona Geschichte ist. Der Wirtschaftsreferent schlug vor, diesen Punkt irgendwann nach Corona erneut zu beraten, spätestens in einem Jahr. Verständigen konnten sich das Gremium auf die Idee, im Frühling eventuell eine Aktion mit lokalen Künstlern in der Innenstadt zu initiieren. Doch auch dieses Vorhaben steht unter Pandemie-Vorbehalt. Und ob sich die Vermieter von Gewerbeflächen in der City auf kulantere Modalitäten für Miet- und Pachtzahlen einlassen, wie im Ausschuss angeregt wurde, auch das steht in den Sternen.

Den Einzelhändlern in der Stadt, so ist zu hören, wäre vor allem daran gelegen, dass München wieder attraktiver würde. Nicht nur mit mehr Weihnachtsbeleuchtung, sondern auch mit verkaufsoffenen Sonntagen in der Vorweihnachtszeit und ein wenig Adventsflair mit Marktbuden in der Fußgängerzone.

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SZ vom 11.11.2020
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