Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Die Natur hat Vorrang

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Zirkuswiese im Westpark: Die Grünflächen sind zur Erholung da. Große Zirkusse und andere kommerzielle Anbieter haben nicht das Grundrecht gepachtet, diese Fläche dauerhaft zu nutzen.

Von Berthold Neff

Es ist in einer so dicht bebauten Stadt wie München richtig, dass sich der Stadtrat schon früh bemühte, "den Erholungs- und Freizeitcharakter von Grünanlagen zu sichern und unterschiedliche, teils widerstreitende Nutzerinteressen einem gemeinwohlverträglichen Gesamtausgleich zuzuführen". So steht es in der Präambel der Grünanlagensatzung, die in dem Paragraf 1 regelt, dass die städtischen "öffentlichen Park- und Grünflächen der Allgemeinheit unentgeltlich für Erholungs- und Freizeitzwecke einschließlich spielerischer und sportlicher Aktivitäten dienen" sollen. Alle anderen Nutzungen sollten unzulässig sein - insbesondere "das Betreiben gewerblicher Aktivitäten aller Art" sowie das "Durchführen von Veranstaltungen aller Art".

Wie so oft im Leben, wird auch diese Regel von Ausnahmen bestätigt. Ausnahmegenehmigungen, so heißt es, können im Einzelfall zugelassen werden, "soweit öffentliche Belange, zum Beispiel die Zwecke der Grünanlagen oder Vergaberecht nicht entgegenstehen".

Mehr muss man nicht wissen, um im Fall der sogenannten Zirkuswiese im Westpark zu einem klaren Urteil zu kommen. Und das lautet: Die Stadt kann sehr wohl zwei Projekte auf einer Liegewiese zulassen, die Kindern und Jugendlichen das Herumtoben im Zelt und im Grünen ermöglichen. Und sie kann sehr wohl große Zirkusse - oder aber Konzertveranstalter - von der Nutzung dieser Fläche ausschließen. Und zwar deshalb, weil deren schweres Gerät dem zarten Grün auf dieser Fläche so zusetzt, dass es zum Kartoffelacker mutiert.

Im Kreisverwaltungsreferat, das für solche Ausnahmegenehmigungen zuständig ist, sollte man nicht nur nach Aktenlage entscheiden, sondern mit Blick auf das, was in der Westpark-Natur durch eine solche Veranstaltung tatsächlich angerichtet wird. Wenn die Fachleute vom Gartenbau feststellen, dass eine Wiese durch zu viele Veranstaltungen nicht mehr grün, sondern nur noch braun wäre, dann darf das Vergaberecht nur noch die zweite Geige spielen. Die Natur, die den Menschen im Park zur Erholung dient, geht vor. Es gibt kein Grundrecht, das kommerziellen Anbietern einen Zugang ins öffentliche Grün eröffnet. Es gibt nur ein Grundrecht der Bürger auf Erholung im Grünen.

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Quelle:
SZ vom 26.01.2017
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