Süddeutsche Zeitung

Prime now:Das reine Gewissen liefert Amazon nicht ins Haus

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Der neue Lieferservice "Prime now" ist eine Bedrohung für Münchens Einzelhändler. Doch sie hätten ein Gegenmittel - sie müssen sich nur beeilen.

Kommentar von Nina Bovensiepen

Natürlich kennen die meisten Internetshopper den Anflug schlechten Gewissens, wenn der letzte Klick die Bestellung bei Amazon bestätigt. Wie war das noch mit den skandalösen Arbeitsbedingungen und dem moralisch einwandfreien Einkaufen? Aber es ist ja doch so wahnsinnig bequem - und nun sogar noch bequemer. Durch den neuen Service "Prime now", der jetzt in der Stadt verfügbar ist, dürfte mancher Münchner noch häufiger verführt werden, die Kaffeemaschine per Handy zu ordern. Erst recht, wenn er nun auch noch die Frühstückssemmel mitgeliefert bekommt.

Für die Münchner Einzelhändler dagegen ist der neue Amazon-Service mit seiner Schnelligkeit kombiniert mit der Vielfalt des Angebots gefährlich. Das beschreibt zugleich die Herausforderung, der sich Inhaber kleiner Läden und größere Warenhausbetreiber stellen müssen, und zwar zügig. Es wird nicht reichen, wenn viele Häuser, wie sie das jetzt schon tun, ihre Online-Angebote ausdifferenzieren. Etwa derart, dass sie verschiedene Liefer- wie Abholungsmodelle bieten. Für die sehr bequem gewordenen Kunden bedeutet das schließlich immer noch: Eine Bestellung geht an den Feinkosthändler, mit einer anderen wird das Tablet-Kabel geordert, und für die Strandlektüre läuft man womöglich rasch beim Buchladen an der Ecke vorbei. Drei Vorgänge, die bei Amazon und anderen Diensten zu einem werden.

Ein Gegenrezept dazu könnte aber lauten: Gemeinsam sind wir stark. Wenn Münchner Händler es schaffen, bei der Logistik, aber auch bei der Kombination ihrer jeweiligen Produkte insbesondere beim Online-Angebot zu kooperieren, könnten sie ein echtes Gegengewicht zur Offensive von Amazon und zu ähnlichen Angriffen schaffen. Das ist nicht einfach, weil dies manchmal heißen kann, mit einem Konkurrenten zusammenzuarbeiten. Es verspricht aber trotzdem mehr Erfolg, als alleine vor sich hinzuwursteln. Zugute käme den Münchner Häusern dabei, dass viele Menschen es zwar sehr bequem mögen - dass ihnen ein gutes Einkaufsgefühl aber auch viel wert ist. Und das reine Gewissen liefert Amazon nun einmal definitiv nicht ins Haus.

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Quelle:
SZ vom 04.08.2016
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