Süddeutsche Zeitung

Kolumne:Die Freiheit des Taxifahrers

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"Du, du, du Kopf, du!": Es ist ein Wunder, dass Münchens Taxifahrer beim ADAC-Test bezüglich der Freundlichkeit gut abschnitten.

Karl Forster

Es geschah an der Pacellistraße, gegenüber dem Hotel Bayerischer Hof, auf dem Reservestandplatz für jene Taxifahrer ist, die gerne ein bisschen warten, um dann vielleicht einen Scheich einladen zu können. Dort stellte ein junger Taxler, offensichtlich der Kaste der Studenten zuzurechnen, kurz seine Droschke ab, um eine kleine Besorgung zu erledigen. Ein böses Fehlverhalten, denn Standplätze sind keine Parkplätze. Und so fing ein älterer Fahrer an, den jungen Kollegen wild zu beschimpfen, was mit dem fürchterlichen Anwurf endete: "Du, du, du Kopf, du!"

Der Student als solcher ist eben seit jeher der natürliche Feind des Berufstaxifahrers. Er ist jung, unbekümmert, belastbar, mit einer gewissen Grundintelligenz ausgestattet und in der Lage, wenigstens auf Englisch mit Touristen zu plaudern.

In diesem "du Kopf, du!" manifestierte sich ein Minderwertigkeitskomplex gerade des Münchner Taxlers: Zum einen haben sie einen Ruf zu verlieren als maulfaule Grantler, die ewig Bayern 1 hören, da stört die freundliche Weltgewandtheit des studentischen Gelegenheitsjobbers. Zum zweiten sehen sie in ihm den fleischgewordenen Niedergang ihres Berufsstandes, weil es unter den künftigen Akademikern fluktuationsbedingt viele Anfänger gibt, die den Navi einschalten müssen, nur um zum Hofbräuhaus zu finden.

Drittens und vor allem aber ist es so, dass der Taxler selten zurecht kommt mit der gefühlten Kluft zwischen der Freiheit der Selbstbestimmung ("ich gehe jetzt mal einen Kaffee trinken") und dem sofort eintretenden schlechten Gewissen, dass ausgerechnet während dieses Kaffees der Traumstich mit Traumtrinkgeld kommen könnte. Was wiederum zu einem heftigen Grantanfall führt.

So gesehen ist es ein kleines Wunder, dass beim ADAC-Taxler-Test die Münchner Droschkisten bezüglich der Freundlichkeit die Silbermedaille gewonnen haben.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2008/sonn
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