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"Klara und die Sonne" von Kazuo Ishiguro:Die künstliche Freundin

Kazuo Ishiguro erzählt in "Klara und die Sonne" aus der Ich-Perspektive eines Roboters. Das mag irritierend sein, ist aber auch inspirierend. Im Literaturhaus München gibt es nun eine Online-Lesung mit dem Nobelpreisträger.

Von Antje Weber

Klara steht im Schaufenster eines Ladens wie bestellt und nicht abgeholt. Während sie darauf hofft, bald ihrer Bestimmung zugeführt zu werden, genießt sie die Energie jeden hereinfallenden Sonnenstrahls. Tatsächlich wird der Roboter schließlich als "Künstliche Freundin" für das Mädchen Josie gekauft - und Klara lernt schnell, sich an die verwirrende neue Umgebung einer Familie anzupassen.

Der Kunstgriff des Nobelpreisträgers Kazuo Ishiguro, seinen Roman "Klara und die Sonne" aus der Ich-Perspektive des Roboters erzählen zu lassen, erlaubt den Lesern eine so irritierende wie inspirierende Annäherung an das Thema Künstliche Intelligenz. Denn Klara, das wird immer deutlicher, ist nicht nur eine scharfsinnige Beobachterin, auch wenn sie sich in ihren Algorithmen unterworfenen Schlussfolgerungen manchmal irrt. Sie ist womöglich auch fähig zu Gefühlen. Was aber trennt den Menschen dann noch von der Maschine? Und könnte man geliebte Menschen dann nicht einfach als Roboter nachbauen lassen? Die Grenzen, die dieser Roman aus ungewohnter Perspektive beleuchtet, werden seltsam fließend: Ishiguro hat einen anrührenden Zukunftsroman geschrieben, der beunruhigend realitätsnah wirkt.

Kazuo Ishiguro: Klara und die Sonne, Blessing, 350 S., 24 Euro. Gespräch und Lesung mit Kazuo Ishiguro: Do., 6. Mai, 20 Uhr, Stream-Tickets über literaturhaus-muenchen.de

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SZ vom 06.05.2021
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