Süddeutsche Zeitung

Kritik:Kleine Feier der Anarchie

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Theaterzauber für Kinder in der Schauburg: "Glück im Doppelpack" ist eine herrlich paradoxe Komödie über ein großes Paket und sinnentleerte Regeln.

Von Barbara Hordych, München

Mitunter ist es verblüffend, wie wenig es braucht, um Theaterzauber zu entfalten. Im Fall des Kinderstücks "Glück im Doppelpack" sind es lediglich ein großes Paket und zwei Schauspieler. Und ja, natürlich auch ein so zauberhaft-paradoxes Stück wie das der Niederländerin Sophie Kassies, das am Wochenende seine Premiere in der Schauburg hatte; übersetzt von Intendantin Andrea Gronemeyer, inszeniert von Marcelo Diaz, der das Haus schon mit seiner Regiearbeit "Hilfe, die Herdmanns kommen" zwei Spielzeiten lang füllte. Nun aber zur Komödie "Glück im Doppelpack", in der David Benito Garcia und Hardy Punzel als Paketboten in gelben Overalls mit einem großen Paket die Bühne betreten. Kaum haben sie es auf einen Tisch gewuchtet, stellen sie fest, dass das Wichtigste fehlt: der Adressaufkleber mit dem Code. Wohin jetzt mit der Sendung? Ohne "Abpiepsen" keine Lieferung.

Zwischen den singenden Paketboten -"Seit 1902 ist immer ein Lied dabei!" - sind die Machtverhältnisse klar definiert: "Man sucht nicht mit den Fingern, sondern mit den Augen!" weist der Chef (Garcia) seinen Mitarbeiter (Punzel) zurecht. Während der eine auf die Einhaltung der Regeln dringt ("Öffnen heißt beschädigen - die Regeln der Zentrale sind unsere Kathedrale"), würde der andere das Paket gerne auf den Kopf stellen. Vielleicht befindet sich der Aufkleber darunter? Aber auch das ist verboten. Schließlich könnten ein Aquarium oder eine Hochzeitstorte im Paket sein - und durch einen falschen Dreh alles "futsch" gehen. "Junge, wenn du anfängst/ das Paket herum zu dreh'n / wirst du im Handumdrehen seh'n, / wie wir den Bach herunter gehen", singt Garcia im "Katastrophen-Lied". Komponiert hat dieses wie auch die anderen Lieder des Stücks Hardy Punzel.

Die Machtverhältnisse schwanken

Trotzdem: Der Aufkleber muss her, denn ohne diesen ist der Karton "nur eine dahergelaufene Schachtel und kein Paket". Während die beiden sich zwischen Regeln und Lösungsansätzen verheddern, wankt auch mal die Hierarchie. Da bietet der Chef seinem Untergebenen ganz jovial an, ihn "Benito" zu nennen. Kaum agiert dieser ihm zu selbständig, pfeift er ihn wieder zurück: "Für dich immer noch Chef, bitte!" Das erinnert ein wenig an das alkoholbedingte Schwanken in den Machtverhältnissen von Bertolt Brechts "Herr Puntila und sein Knecht Matti", freilich ganz ohne Alkohol. Irgendwann wird auch das Publikum einbezogen. Während der Chef draußen den vermissten Aufkleber sucht, soll sein Mitarbeiter auf das Paket aufpassen - und das Publikum wiederum auf diesen.

Wie Punzel nun seine sich verselbstständigenden Gliedmaßen nur mühsam unter Kontrolle halten kann, ist für sich genommen schon ein pantomimisches Bravourstückchen. Ob und wie die beiden ihre Aufgabe lösen, soll hier nicht verraten werden. Nur soviel: Eine kleine Feier der Anarchie in einer Zeit, in der alle von Regeln umzingelt sind, tut nicht nur Kinderseelen gut.

"Glück im Doppelpack" ist für Klassenzimmer mobil buchbar unter nadja.dietrich@muenchen.de.

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