Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Provokation am Altar

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Abendmahl für geschiedene Wiederverheiratete und Frauen als Geistliche: Einige Pfarrer und Diakone aus dem Erzbistum München und Freising fordern mit einem Positionspapier den Kardinal heraus.

Von Christian Krügel

Ein Jahr nach seiner Gründung fordert der "Münchner Kreis", ein Zusammenschluss kritischer katholischer Priester und Diakone aus dem Erzbistum, die Amtskirche massiv heraus. In einem Positionspapier kündigen die Geistlichen an, sich in der pastoralen Praxis über gängige Vorschriften der Kirche bewusst hinwegzusetzen. So wollen sie unter anderem geschiedenen Wiederverheirateten und "Mitglieder anderer christlicher Kirchen" die Eucharistie nicht mehr verweigern, Laien im Gottesdienst predigen lassen und sich zudem dafür einsetzen, dass Frauen zum Amt des Diakons und zum Priesteramt zuzulassen.

Außerdem wollen sie sich weigern, weitere Pfarreien oder Pfarrverbände zu übernehmen - "weil uns das zu reisenden Zelebranten und Sakramentsverwaltern macht und einer menschlich nahen Seelsorge entfremdet", wie es in dem Papier heißt. Das Ordinariat reagierte auf die Forderungen zurückhaltend. Es handele sich um einen "Debattenbeitrag" zu Themen, die derzeit ohnehin in Rom und in den Bischofskonferenzen diskutiert würden.

Im Herbst 2012 hatten sich mehrere Priester nach dem Vorbild der österreichischen Pfarrerinitiative zusammengeschlossen, um Missstände in der Kirche und im Erzbistum anzuprangern und Reformen anzumahnen. Der Gruppe hatten sich geweihte Diakone angeschlossen sowie mehrere Hundert Katholiken, die sich in dem Projekt "Gemeindeinitiative.org" vernetzen und mit den Priestern solidarisch erklärt hatten. Auslöser für die Kritik der Pfarrer und Diakone ist zum einen die Strukturreform der Pfarreien, die Erzbischof Reinhard Marx vorantreibt und bei der viele Gemeinden zu Pfarrverbänden zusammengefasst werden - was nach Meinung vieler Seelsorger die Pfarrer überfordert. Zum anderen kritisierten sie den Umgang des Kardinals mit den Forderungen des Zukunftsforum, in dem katholische Laien 61 drängende Fragen zusammengetragen hatten, die aber nach Ansicht des "Münchner Kreises" vom Kardinal einfach "vom Tisch gewischt" wurden.

Erstmals formulierte der Kreis nun in einer Versammlung ganz klare Forderungen. "Wir halten es für angebracht, uns nach einem Jahr ganz klar zu positionieren", sagt Diakon Stefan Schori. Gemeinsam mit den Pfarrern Hans-Jörg Steichele und Otto Wiegele sowie dem Diakon Willi Kuper ist er Sprecher des Kreises. 18 Pfarrer und Diakone hätten das Papier einstimmig verabschiedet - in dem Bewusstsein, sich ganz klar über gängige Regelungen der Amtskirche hinwegzusetzen, so Schori. Darin fordern sie nun einen "Dialog in unserer Erzdiözese und Kirche, der wirklich den Namen verdient". Und sie fordern die Amtskirche heraus, indem sie eine Eucharistie auch für diejenigen vorsehen, die die katholische Kirche derzeit davon eigentlich ausschließt. Auch eine andere Forderung ist eine offene Provokation für den Erzbischof: Der Kreis fordert, dass Laien die Leitung von Pfarreien übernehmen und Wortgottesdienste leiten sollen. "Besser ein von den Gemeinden selbst gestalteter Wortgottesdienst als Gottesdienste mit ständig wechselnden herbeitelefonierten fremden Priestern", heißt es in dem Papier. Kardinal Marx vertritt bisher aber die klare Linie, dass letztlich nur ein Priester eine Gemeinde leiten und einen vollwertigen Sonntagsgottesdienst mit Messe halten könne.

Eine offizielle Reaktion des Kardinals auf diesen Vorstoß gibt es bislang nicht: Marx ist derzeit in Rom, wo er mit Papst Franziskus und dessen Beratergremium über die Reform der Kurie diskutiert. Aus dem Ordinariat hieß es am Mittwoch deshalb nur knapp, man werde das Papier des Münchner Kreises in Ruhe studieren und sehe es als wichtigen Beitrag zu laufenden Diskussionen über drängende pastorale Fragen. Dazu gehöre vor allem die Frage, wie mit Geschiedenen und Wiederverheirateten umgegangen werden solle. Das Bistum Freiburg hatte dazu bereits angekündigt, hier deutlich konzilianter umzugehen und die Eucharistie auch zuzulassen. Kardinal Marx hatte eine solche Einzellösung für das Erzbistum abgelehnt und auf die Debatte mit Rom verwiesen. Eine vernünftige Regelung sei Marx aber ein wichtiges Anliegen, so sein Sprecher Bernhard Kellner. Die Priesterinitiative hofft auf ein Gespräch mit dem Kardinal. "Wir werden als nächstes unsere Unterstützer in der Gemeindeinitiative informieren und warten ab, was dann passiert", sagt Stefan Schori.

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Quelle:
SZ vom 05.12.2013
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