Süddeutsche Zeitung

Isarwasser in München:Auch der Wassersport hat seine Rechte

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Wenn sich die Stadtwerke seit Jahren mehr Wasser für ihre Kraftwerke gönnen, dann sind Surfer und Kanuten nun ebenfalls mal zu bedienen

"Das viel zu brave Wildwasser" und Kommentar "Die Isar ist für alle da" vom 25. Juni, "Isar-Floßfahrten entfallen komplett" vom 23. Juni, "Die verreckte Welle" vom 7. Juni" und "Wem gehört das Wasser?" vom 3. Juni:

Wem gehört das Isarwasser? Sport oder Strom? Nun steht es fest, und es ist eine Freude: OB Dieter Reiter hat zu Gunsten der Surfer, Kajaker und Kanuten entschieden. Die beliebte Surfwelle an der Floßlände ist - trotz des coronabedingten Ausfalls des Floßbetriebs - zunächst für etwa ein Jahr gesichert. Damit bleibt auch das traditionelle Übungsgelände der Münchner Kajaker und Kanuten im "Wildwasser" des Floßkanals erhalten. Im ersten Schritt wird die Durchflussmenge des Floßkanals im Testbetrieb erhöht. Im zweiten Schritt soll das RGU nach Abschluss dieses Testbetriebs dem Stadtrat einen Vorschlag zur zeitlichen Ausweitung der Wassersportmöglichkeiten zur Entscheidung vorlegen.

Schon in der Vor-Corona-Zeit haben die Stadtwerke München (SWM) unter Berufung auf ihr Privileg zur Stromgewinnung das Surfen an der Floßlände ausschließlich während der Zeit des Floßbetriebes von Anfang Mai bis Mitte September für jeweils nur fünf Stunden am Tag ermöglicht.

Auch künftig werden sich die SWM auf ihr im wasserrechtlichen Bescheid vom 10. Juli 1907 verbrieftes Nutzungsrecht berufen, am Großhesseloher Wehr bis zu 70 Kubikmeter/Sekunde aus der Isar in den Werkkanal ausleiten und im Isarwerk I nutzen zu dürfen. Und die SWM werden weiterhin argumentieren, zur Wasserabgabe vom Werkkanal in den Floßkanal für ausschließlich sportliche Zwecke rechtlich nicht verpflichtet zu sein.

Tatsächlich ist der Wasserrechtsbescheid vom 10. Juli 1907, auf den sich die SWM ständig stützen, inhaltlich nur rudimentär bekannt. Nicht einmal dem Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) als der zuständigen Wasserrechtsbehörde liegt dieser Bescheid in seinem vollen Wortlaut vor. Das Münchner Forum hat daher, gestützt auf das Umweltinformationsgesetz, jetzt bei der Stadt München den vollständigen Bescheid zur umfassenden rechtlichen Auswertung angefordert.

Kaum bekannt ist, dass die SWM mit Billigung des RGU "im Rahmen einer längeren Testphase" seit über zehn Jahren (!) mehr Wasser aus der Isar in den Werkkanal ausleiten, als ihnen im Bescheid von 1907 genehmigt ist. Über die im Bescheid zugestandene Ausleitungsmenge von maximal 70 Kubikmeter/Sekunde hinaus erhöhen die SWM ohne Genehmigung die Wasserführung im Werkkanal auf bis zu 80 Kubikmeter/Sekunde. Dies zur Steigerung der Stromerzeugung in den Isarwerken I, II und III. Das RGU rechtfertigt die erhöhte Ausleitung im "Probebetrieb" mit der Begründung: "Es handelt sich um eine längere Testphase, die dazu dienen soll, im Umgang mit dieser Wassermenge Erfahrungen zu sammeln."

Auch im Jahr 2020 ist nicht abzusehen, wann die den SWM zugebilligte "längere Testphase" formell abgeschlossen wird. Denn nach aktueller Auskunft des RGU ist offen, wann das bereits über zehn Jahre (!) anhängige wasserrechtliche Verfahren weiterbetrieben werden kann. Die hierfür notwendigen Unterlagen sind von den SWM bis heute beim RGU nicht eingereicht. Aus Gründen der Gleichbehandlung ist daher zu fordern, dass Surfern, Kanuten und Kajakern im Rahmen des vom OB angeordneten Testbetriebs ebenfalls eine mehrjährige "Testphase" zugebilligt wird, so wie diese den SWM zugestanden wird.

Klaus Bäumler, München

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SZ vom 30.06.2020
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