Süddeutsche Zeitung

Intelligentes Wohnen:Das Haus denkt mit

Lesezeit: 2 min

Von Katja Riedel und Melanie Staudinger, München/Karlsfeld

Die Heizung weiß genau, ob ein Bewohner zu Hause ist; sie schaltet sich aus, wenn das Haus leer bleibt. Die Jalousien fahren selbständig hoch und runter, das Licht im Bad lässt sich in 256 Millionen Farbtönen einstellen. Die Haustür lässt sich digital von überall auf der Welt aus öffnen. Zum Beispiel, wenn die Tochter mal wieder ihren Schlüssel vergessen hat und man selbst in einer Besprechung sitzt.

Die Rauchmelder denken mit und geben nicht nur akustische, sondern auch optische Signale, jeder Raum ist überwacht, sodass sich die Bewohner zu jeder Zeit sicher fühlen können. Was eher nach Science Fiction klingt, hat die Isaria Wohnbau AG gemeinsam mit der Firma iHaus in Karlsfeld bei München realisiert. iHaus liefert die Technik.

Dort, im Wohngebiet "MyNido", stehen nun 29 Wohnhäuser, die ihre Macher als smart, intelligent also, betiteln. Es ist eine der ersten automatisierten Neubausiedlungen im Münchner Umland. Dabei behaupten Branchenkenner schon seit zehn Jahren, dass Häuser nun flächendeckend mit intelligenter Technologie vollgestopft würden.

Wem die Technologie nutzen kann

Das "Smart Home" war deshalb auch eines der großen Themen auf der Immobilienmesse Expo Real, die am Mittwoch zu Ende gegangen ist. Zahlreiche Stände und Podien beschäftigten sich mit denkenden vier Wänden, vor allem mit deren Vorteilen. Ende Oktober wird es im Konferenzzentrum München sogar eine eigene Smart-Home-Tagung geben.

Die Technologien sollen den Alltag für deren Bewohner erleichtern und den Energieverbrauch der Häuser senken. Vor allem die alternde Gesellschaft soll dem intelligenten Haus nach langem Zaudern nun endlich auf die Sprünge helfen. Denn wenn ein mobiler Mäher den Rasen selbständig trimmt, ein intelligenter Staubsauger auch unter die Möbel kriechen kann und der Kühlschrank von allein neue Speisen beim Internethändler bestellt, dann können Senioren künftig länger selbständig in ihren Wohnungen bleiben statt in Betreutes Wohnen oder ins Pflegeheim umzuziehen.

Das mitdenkende, sich der jeweiligen Lebensphase anpassende Haus bietet für Technologieunternehmen einen riesigen Markt - und die Chancen auf diese Umsätze könnten die Industrie nun dazu bewegen, sich auf einheitliche Standards zu einigen, damit Haustechnik miteinander kompatibel wird. Auf der Expo Real haben sich mit Wien und Stockholm Großstädte präsentiert, die nicht nur einzelne intelligente Häuser fördern, sondern vernetzte Metropolen werden wollen.

Was so ein Haus kostet

In München ist das noch Zukunftsmusik. "Vernetzte Industriegebäude gibt es schon lange", sagt Robert Klug, Vorstand von iHaus. Für Privathaushalte sei die Technik bis vor einigen Jahren kaum bezahlbar gewesen. Genaue Zahlen will Klug nicht nennen, nur so viel: Wer ein intelligentes Haus kauft, müsse etwa 20 Prozent mehr investieren als bei herkömmlicher Technik. "Früher hätte man das Doppelte oder Dreifache bezahlt", sagt er.

In der intelligenten Karlsfelder Siedlung kostet die günstigste Hausvariante - 157 Quadratmeter Wohnfläche, fünf Zimmer, gut 300 Quadratmeter Grund - im Gesamtpaket 915 000 Euro. Die größere Premium-Variante gibt es für 975 000 Euro. Billig ist das nicht - und Kunden haben noch mehr Vorbehalte. Während in Asien und Nordamerika Häuser längst vernetzt sind, sorgen sich in Deutschland viele wegen des Datenschutzes. In der Studie "Die Vermessung des digitalen Konsumenten" sorgte sich im Frühjahr gut ein Drittel aller 5046 Befragten um die Privatsphäre. 27 Prozent erlebten die Automatisierung im Haushalt als "unheimlich", 24 Prozent haben Angst vor Hackern.

Geschäftsführer Klug versucht, Bedenken wie diese auszuräumen. Die Daten würden auf einem Server beim Nutzer zu Hause gespeichert und in einer Cloud, einem Datenspeicher im Internet, gesichert. Das Rechenzentrum sitze in der Münchner Balanstraße, nicht irgendwo im Ausland. Die Zielgruppe, die iHaus ansprechen will, scheint ohnehin nicht so skeptisch zu sein. Die Häuser in Karlsfeld sind fast alle verkauft. Weitere Projekte sind bereits geplant: In Karlsfeld sollen zunächst weitere 80 Wohneinheiten entstehen, vor allem für Senioren mit Hilfebedarf.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2015
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