Süddeutsche Zeitung

In 35 Jahren viel erreicht:Von der Stonewall-Demo zur bunten Party

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Im Jahr 1980 demonstrierten in München zum ersten Mal Schwule und Lesben, heute ist der CSD längst ein Fest für alle

Von Andreas Glas und Günther Knoll, München

Offiziell jährt sich der Münchner Christopher Street Day (CSD) an diesem Wochenende zum 36. Mal. Streng genommen stimmt das aber gar nicht, der vermeintlich erste Münchner CSD hieß nämlich Stonewall-Demo, in Erinnerung an eine gewaltsame Razzia der Polizei im Jahr 1969 in der New Yorker Schwulenbar "Stonewall" in der Christopher Street. Bei der ersten Demo marschierten 1980 knapp hundert Münchner Schwule und Lesben mit Plakaten und Spruchbändern vom Viktualienmarkt zum Chinesischen Turm im Englischen Garten.

Im Jahr 1993 hieß der Umzug dann zum ersten Mal Christopher Street Day, mehr als 2000 Menschen feierten eine bunte Parade. Ein Jahr später übernahm mit Christian Ude zum ersten Mal der Münchner Oberbürgermeister die CSD-Schirmherrschaft. Und diese Tradition ist bis heute erhalten. 2003 öffnete Ude nach der Parade den Teilnehmern sogar das Rathaus, das sich seitdem für eine Nacht in einen riesigen Club verwandelt, in dem gefeiert werden darf.

In den Neunzigerjahren gab es wiederholt Probleme mit den Ordnungshütern: So im Jahr 1997, als die Polizei dem Veranstalter des CSD mit Festnahmen drohte, wenn weiter so laut gefeiert würde, dass dadurch das Glockenspiel am Marienplatz übertönt würde. Im Münchner Rathaus dagegen war die Rosa Liste inzwischen unverzichtbar geworden: Ihr einziger Vertreter reichte 1996 ganz knapp für eine rosa-rot-grüne Mehrheit.

Auch wenn es nach jedem CSD widersprüchliche Aussagen von Veranstalter und Polizei zur Teilnehmerzahl gab, es kamen inzwischen so viele, um in der Innenstadt mitzufeiern, dass der MVV im Jahr 2000 sogar Sonderzüge ankündigte. 2002 ereignete sich dann am Rande des CSD eine kleine Sensation: Erstmals war auch die Junge Union vertreten, bei der Parade mitzumachen traute sie sich zwar nicht, aber einen Informationsstand hatte die JU aufgebaut.

Auch wenn in München inzwischen beim CSD Karneval mitten im Sommer angesagt war, 2006 nahm angesichts des bevorstehenden Papstbesuchs die Polizei die Sache sehr ernst: Sie "verhaftete" mitten aus der Parade heraus eine etwas anzüglich dekorierte Papstpuppe und sprach von "Beleidigung eines Staatsoberhaupts". Zwei Jahre später musste sich der Straubinger CSU-Abgeordnete Herbert Ettengruber für seine Aussage im Verfassungsausschuss des Landtags, der Münchner CSD sei eine "unappetitliche Veranstaltung", nachträglich entschuldigen. Im gleichen Jahr war erstmals auch der Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter" in München mitmarschiert.

Was in der Landeshauptstadt längst im Veranstaltungskalender verankert war, war andernorts noch unvorstellbar. Und so reiste im Jahr 2013 eine Münchner Delegation, angeführt vom damaligen 3. Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne), in die Partnerstadt Kiew, um dort unerschrocken beim ersten "Pride-Marsch" mitzumachen, streng abgeschirmt durch ein riesiges Polizeiaufgebot. Im gleichen Jahr appellierten die Münchner Veranstalter an die Teilnehmer des CSD, diesen nicht nur als Party zu sehen, sondern auch das politische Anliegen zu berücksichtigen. 2014 ging es dabei um das Ausgrenzen in der Szene. Denn was diese für sich von der Gesellschaft fordere, dazu müsse sie auch selbst bereit sein: zu Toleranz nämlich.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2015
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