Süddeutsche Zeitung

Im Rampenlicht:Gott mit dir, mein FC Bayern

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Christine Eixenberger macht Herzkino und testet Preußen im Fernsehen, aber eigentlich ist sie Kabarettistin - und Lehrerin

Von Gerhard Fischer

Laura Wontorra muss die High Heels ausziehen und mit verbundenen Augen über eine Lederhose und über Bierfilze laufen. Die Filze erkennt sie sofort: "Bierdeckel!", ruft sie. Bei der Lederhose gibt Christine Eixenberger Hilfestellung, sie sagt: "Leder ist schon mal nicht verkehrt." Jetzt ist es nicht mehr schwer, schließlich ist man in Bayern, wo Leder zu Hose gehört wie König zu Ludwig.

Christine Eixenberger macht im BR zusammen mit Wolfgang Krebs die Sendung "Habe die Ehre". Es gibt Bayern, die statt "Servus" oder "Hallo" den alten Gruß "Habe die Ehre" sagen, manche nuscheln ein "Hawedere" hin oder bloß ein "Dere".

Die Sendung ist ein Aufnahme-Test für prominente Preußen; Leute wie Michael Kessler, Bernhard Hoecker oder die Sport-Moderatorin Laura Wontorra müssen sich mit ein paar Übungen als würdig erweisen, den Bayern-Pass zu bekommen. Da werden dann volle Masskrüge über einen Tisch geschubst oder Sprachtests gemacht, da wird gelehrt, dass man das Helle erst absetzt, bevor man trinkt, oder dass es eine Lokalrunde gibt, wenn man die Glocke läutet. Der Kabarettist Krebs, mit dem Eixenberger beim Casting für die Sendung offenbar prächtig harmonierte, tritt als Edmund Stoiber auf, das ist seine beste Figur. Er muss nur mit dem Kopf wackeln oder Eixenberger "Frau Hexenzauber" nennen, dann lachen die Leute.

Christine Eixenberger tritt als Christine Eixenberger auf.

Aber wer ist diese Christine Eixenberger? Man sieht sie jetzt häufiger im Fernsehen, sie spielt auch eine Hauptrolle in den ZDF-Herzkinofilmen "Marie fängt Feuer", neben Wolfgang Fierek, Saskia Vester, Stefan Murr und Katharina Müller-Elmau.

Zunächst war die 30-Jährige Kabarettistin. Und sie ist es noch. Warum wird ein junger Mensch heute Kabarettist? Die Passauer Sigi Zimmerschied, Bruno Jonas und Rudolf Klaffenböck gingen vor 40 Jahren auf die Bühne, weil sie ein Ventil brauchten gegen den Überdruck, den eine sehr konservative CSU, eine sehr konservative Kirche und ein sehr enges Umfeld erzeugten. Die Wut musste raus.

Eixenberger sitzt im Café Neuhausen und hört sich die Frage an. Sie ist ein bisschen zu spät gekommen, weil sie im Stau stand, sie hat ihre Agentur anrufen lassen, um sich zu entschuldigen, und jetzt hat sie sich noch mal entschuldigt, obwohl sie nichts dafür konnte. Sie hat eine große Tasche dabei, für ihr Dirndl. Eixenberger geht später noch auf die Wiesn.

"Ich wollte eigentlich gar nicht auf die Bühne", sagt sie, "früher hat mir das Angst gemacht, alle starren einen an - warum sollte man sich da hinstellen?" Ohne Tobias Öller wäre sie wohl nie auf die Bühne gegangen. Der Kabarettist, mit dem sie eng befreundet ist, hat ihr Talent erkannt und sie mehrmals angeschoben. Denn eigentlich wollte Eixenberger die Anwaltskanzlei ihrer Firmpatin übernehmen.

Christine Eixenberger ist in Schliersee aufgewachsen, die Mutter ist Hotelfachfrau, der Vater Handwerker. "Als ich zwei Jahre alt war, hat meine spätere Firmpatin gesagt: Die übernimmt mal meine Kanzlei." Wie sieht man das einer Zweijährigen an? Eixenberger antwortet erst halbwegs ernst: "Vielleicht erkannte sie meinen eigene Willen oder dass ich mich ausdrücken konnte." Dann kommt ihr Humor durch: "Ich hab' als Zweijährige bestimmt ein Anwaltsg'sicht g'habt."

Zwischendurch verfällt Christine Eixenberger ins Bairische. Sie sagt dann "narrisch gfreit", zum Beispiel. Außerdem sagt sie, dass sie "gerne palavere". Sie komme "vom Hundertsten ins Tausendste", weil sie halt gerne erzähle. Das macht nichts. Man lernt sie so kennen. Sie erzählt, dass sie von den Eltern zur Selbständigkeit erzogen worden sei; dass Mutter und Vater viel Vertrauen in die Kinder gehabt und sie frei erzogen hätten, der Bruder war gerade eineinhalb Jahre mit dem Rad in der Welt unterwegs. Sie erzählt, dass sie schwer damit zurecht komme, wenn einer gegen Flüchtlinge hetze - und dass sie sich deswegen im Wirtshaus mal mit einem Mann angelegt habe.

Eixenberger hat dann während ihrer Schulzeit in der Kanzlei der Firmpatin gearbeitet, sie hat nach dem Abi eine Ausbildung zur - Obacht: langes Wort - Rechtsanwaltsfachangestellten bei ihrer Firmpatin gemacht, und sie hat nach dem Abitur begonnen, in Passau Jura zu studieren.

Aber sie hat das Studium nicht abgeschlossen, was ungewöhnlich ist für Eixenberger, die sagt, sie sei "ein Fan von abgeschlossenen Sachen - ich beiße mich eigentlich immer bis zum Schluss durch". Aber beim Jura-Studium sei schon das erste Semester eine "Katastrophe" gewesen: Sie habe "Gesetzbücher gewälzt und Paragrafen in sich reingeprügelt". Im dritten Semester war dann Baurecht dran, und Christine Eixenberger dachte, sie halte das "keine Sekunde länger aus".

In dieser Phase rief Tobias Öller an.

"Tobi sagte, er habe im Moment keine Lust auf Solo-Kabarett, er will zu zweit etwas machen - und zwar mit mir." Öller hatte das Programm für das Zweier-Kabarett auch schon geschrieben. Er muss viel Zutrauen in das Bühnentalent von Christine Eixenberger gehabt haben - sie hatte bis dahin bloß im Schulchor gesungen und bei Amateur-Musicals mitgespielt. "Ich bin da sehr gerne in der Masse untergegangen", sagt Eixenberger, "ich sah das Extrovertierte nicht bei mir." Ein Hindernis mag auch ihr Hang zur Selbstkritik und Perfektion gewesen sein. "Ich bin sehr oft nicht mit mir zufrieden", sagt sie.

Aber zum einen war da Öller, der sie motivierte. Und zum anderen war da das Studium, das sie beenden wollte.

"Ich habe dem Tobi sehr schnell zugesagt", sagt Eixenberger.

Tobias Öller ist 43, also etwas älter als Christine Eixenberger. Er ist mit Zimmerschied, Jonas und Polt groß geworden. "Das sind schon seine Vorbilder", sagt Eixenberger. Es ging bei Öller also um die Kritik an den herrschenden Verhältnissen, aber auch um den Alltag in Bayern, um die kleinen Leute, um die lustigen Dinge, die beim Bäcker passieren, in der Kommunalpolitik, im Sportverein, in der Schule.

Öller hat Eixenberger, die damals 23 war, auf der Bühne Sicherheit gegeben. "Ich konnte mich an ihm festhalten", sagt sie. "Und ich bin jetzt wahnsinnig dankbar, dass ich jemanden hatte, der mir gezeigt hat,was ich selber kann."

Trotzdem hat sie damals gedacht, sie mache das bloß hobbymäßig. Sie schrieb sich für ein Studium ein; diesmal in München, diesmal Grundschullehramt. Im Sommer 2014 machte sie das Staatsexamen. Und dann brachte sie das, was sie in ihrem Referendariat erlebte, auf die Bühne. Zugespitzt natürlich. Ihr aktuelles Solo-Programm heißt "Lernbelästigung". Aus dem Hobby ist längst ein Beruf geworden. Sie ist jetzt Kabarettistin, BR-Moderatorin, Herzkino-Schauspielerin, offenbar finden Charakter und Seele von Christine Eixenberger in allen diesen Rollen ein Zuhause.

Und: Sie findet es jetzt schön, dass sie alle ansehen und ihr zuhören. "Ich ziehe so viel aus den Abenden, bei denen ich auf der Bühne stehe - ich würde das Publikum am liebsten abbusseln", sagt sie. "Ich kann mir gerade nichts Besseres vorstellen, als das, was ich mache", sagt sie. Als Lehrerin kann sie später noch arbeiten. Vielleicht.

Zwei Wochen nach dem Treffen im Café Neuhausen: Eixenberger tritt mit "Lernbelästigung" im Wirtshaus im Schlachthof auf. Im Publikum sitzen junge Frauen, es könnten Grundschullehrerinnen sein, oder welche, die es werden wollen.

Im Café hatte Christine Eixenberger gesagt: "Ich brauche eine Rahmenhandlung und einen Ort, wo Figuren aufeinander treffen - in diesem Fall das Klassenzimmer." Die Figuren spielt sie selbst: eine Lehrerin, Schüler, Eltern. Manchmal verkleidet sie sich, oft verzieht sie das Gesicht oder stemmt die Hände in die Hüfte. Es erinnert an den Urvater der In-andere-Personen-Schlüpfer, an Sigi Zimmerschied, über dessen Verwandlungen man sich schon deshalb totlachen konnte, weil er - Verzeihung - auch noch ein Gesicht hatte, das leicht Grimassen schneiden konnte. Eixenberger hat ein ebenmäßiges Gesicht. Dennoch funktioniert es. Sie ist nicht so genial wie Zimmerschied, aber sie beherrscht das Handwerk eines Kabarettisten.

Eixenberger macht sich über das G 8 lustig, das dazu führe, dass Studenten immer jünger würden und "von der Mama zum Hörsaal gebracht werden - fehlt nur noch die Schultüte." Es sei die "Generation Stoiber Edi", schließlich habe Stoiber das G 8 eingeführt. Apropos Stoiber Edi. "Warum steht in Bayern der Hofname (der Nachname, Anm. d. Red.) immer zuerst?", fragt Eixenberger, und gibt diese Antwort: "Seehofer Horst, da weiß man, wo man dran ist: Seehofer - war der Vater schon ein Depp, werden es die Gene der Mutter auch nicht mehr rausgerissen haben."

Auch Söder wird noch verspottet, später im Programm. Da sagt Eixenberger, dass man früher über einen Buben, der mit offenen Schuhbändern über den Pausenhof stolperte, gesagt hat: "Oha, a Depp!" Heute sage man: "Schaut's, a Hochbegabter - seid's freindlich zu eahm, vielleicht wird er bald bayerischer Finanzminister."

Was die Lehrerin Christine Eixenberger nervt: intellektuell schlecht ausgeleuchtete Eltern, die mitschnabeln wollen. "Der Vater vom Marinus hat so viel Hirn wie der Spatz Fleisch auf der Kniescheibe", sagt sie. Auch hier gilt der Spruch, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, schließlich singe der Marinus die Bayern-Hymne so: "Gott mit dir, mein FC Bayern."

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Quelle:
SZ vom 12.10.2017
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