Süddeutsche Zeitung

Hörenswert:Nachtstücke

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Das neue Album der Münchner Band "Bleib Modern"

Von Jürgen Moises, München

Seit Corona über uns gekommen ist, fühlt sich für manche das Leben wie der immer gleiche Tag an. Oder wie eine fortwährende Nacht, auf deren Ende man sehnsuchtsvoll hofft. Andere vermissen dagegen das Nachtleben, würden die Nacht gerne wieder zum Tag machen, aber auch das wird durch Covid-19 verhindert. Und dann gibt es da noch die fünf Musiker von Bleib Modern, deren Leben auch vor der Viruskrise schon eine einzige Nacht war, ein Meer aus Grau und Schwarz, ein dunkles und endloses Tal der Tränen. Zumindest wenn man den Titeln und Texten der ursprünglich in Coburg entstandenen, in München und Berlin ansässigen Band glaubt, die vor ein paar Tagen mit "Afraid To Leave" ihr viertes Studioalbum vorgelegt hat. An diesem Freitag, 12. März, stellen die fünf Musiker das Werk nun live per Stream aus dem Münchner Club Milla vor.

Viel Licht oder viel Sonne, das gibt es auch diesmal wieder nicht. Das belegt schon gleich der munter nach vorne preschende Opener "Glow", der mit den Zeilen "I look at you, you look at me, you see this world is black" beginnt und damit die entsprechende Grundfärbung für die folgenden neun Songs schafft. Auch musikalisch klingt das Ganze mit melancholischem Post-Punk, Dark Wave und Shoegaze nach der schon vertrauten Mischung. Also nach dem perfekten dunklen Ohrenfutter für Fans von Joy Division oder deren musikalischen Erben wie Lebanon Hanover oder Ritual Howls. Da klirren oder flirren die Gitarren kalt und doch voller Sehnsucht. Der Bass treibt sich dazu in den seelischen Untiefen herum. Das Schlagzeug galoppiert wie ein schwarzer Reiter durch die Nacht, und der Sänger Philipp Läufer singt mit dunkler Stimme über die Schattenseiten des Lebens, der Liebe oder des Bewusstseins.

Das heißt aber nicht, dass der Münchner Gitarrist Vinz Eberlein, der hier auch als Autor, Veranstalter, Sänger der Band Die Spiiiders und Milla-Booker tätige Schlagzeuger Thomas Schamann alias Grotto Terrazza und ihre Kollegen entgegen ihres Bandnamens nur alte Muster kopieren. Stattdessen klingen die Gitarren nun weniger hart, die Motive und Melodien sind lichter und auch Läufers Gesang raunt nicht mehr ganz so tief. Und das obwohl die Songs nach ersten Proben in einer Berliner Betonfabrik während der Pandemie im Keller eines ehemaligen Bürohochhauses entstanden, bevor sie dann in den Leipziger Lala-Studios aufgenommen worden sind.

Auch dass zwei Touren ausfielen und ein am Album interessiertes amerikanisches Label während Corona wieder absprang, klingt nicht unbedingt nach einem Hoffnungsstrang. Wobei zum Glück der Band dann das Pariser Label Icy Cold Records als Retter einsprang. Das Ergebnis ist jedenfalls ein in sich höchst stimmiges, sehr schönes, melancholisches und vielleicht sogar das bisher beste Bleib-Modern-Album, das mit "Loony Voices" auch einen Song mit Potenzial zum Indie-Hit enthält. Aus der selbst gewählten, dunklen Nische kommen die Musiker damit auch diesmal nicht heraus. Aber den bereits seit ihrem Debüt von 2015 bestehenden Ruf als eine der besten deutschen Post-Punk-Bands haben Bleib Modern gefestigt.

Bleib Modern: Afraid To Leave (Icy Cold Records), live am Freitag, 12. März, um 20 Uhr in der Tele-Milla, via Stream unter www.milla-club.de

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Quelle:
SZ vom 12.03.2021
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