Süddeutsche Zeitung

Hochhaus-Debatte:Der Drang in die Höhe ist unübersehbar

Lesezeit: 3 min

Übertriebene Verdichtung oder das rechte Maß an Urbanität: Im Münchner Südwesten wird über aktuelle Hochhausprojekte gestritten. Kritik gibt es an der Rathaus-Politik und an Eckpunkten der derzeit entstehenden Studie.

Von Jürgen Wolfram

Um in der Frage weiterer Hochhäuser für die Stadt unterschiedliche Positionen möglichst plakativ sichtbar zu machen, hat das Münchner Forum zwei kenntnisreiche politische Kontrahenten in Stellung gebracht: Ludwig Weidinger (CSU), Vorsitzender des Bezirksausschusses Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln, sowie Alexander Aichwalder (Grüne), Bau- und Planungsexperte im selben Gremium. Moderator Hilmar Sturm vom Münchner Forum knüpfte damit und mit einem dichten Rahmenprogramm an die Ausstellung "München - Von oben herab" des Debattenvereins vom vergangenen Herbst an - in einem ohnehin bereits dicht besiedelten Teil der Stadt, wo es derzeit explizit um das Bauen in die Höhe geht.

Weidinger machte dabei keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen Hochhäuser in seinem Stadtbezirk, die 60 Meter überragen, also auch gegen die drei geplanten 80-Meter-Türme auf dem einstigen Siemens-/Katzenberger-Gelände. Zugleich kritisierte er die Stadt dafür, ein ums andere Mal Baurecht nachträglich zu erhöhen, wie beim Campus Süd. Häufig, wie im Falle des Bebauungsplans zur Machtlfinger Straße, passten eine übertriebene Verdichtung und der Mix der Nutzungen weder zur Umgebung noch zu den Bedürfnissen der Stadt: Vor allem Bürogebäude und Hotels zu planen, aber nur 200 Wohnungen, das sei in Anbetracht des Wohnungsmangels enttäuschend, befand Weidinger.

Alexander Aichwalder sieht die Sache mit den Hochpunkten entspannter. Sein Credo: "Ein bisschen Urbanität muss man wagen, um die Stadt lebenswert zu erhalten." Die Baurechtsmehrung beim Campus Süd findet auch er problematisch. Doch in Sachen Machtlfinger Straße vertritt er klar eine andere Position als Weidinger und die Mehrheit im Bezirksausschuss. Aus seiner Sicht liegt eine "hundertprozentige Aufwertung" des Areals vor. Generell müsse München mehr in die Höhe gehen, "weil sonst in die Breite verdichtet wird", wenn Menschen und Firmen zuziehen. Im Publikum löste er mit dieser Feststellung allerdings Zweifel aus. Die Stadt werde das eine tun, ohne das andere zu lassen, argwöhnten Diskussionsteilnehmer.

Lokalpolitiker beklagen Transparenzdefizite bei der Stadtverwaltung

Einig waren sich Weidinger und Aichwalder in ihrer Kritik an der Rathaus-Politik. Mit der Hochhausstudie, die zwar noch nicht beschlossen sei, aber bereits Bauvorhaben präjudiziere, befänden sich Verwaltung und Stadtrat auf einem Irrweg. Denn die Einteilung Münchens in Zonen werde den jeweiligen Örtlichkeiten nicht gerecht. Es müsse, wenn Hochhäuser geplant würden, bei Einzelfallprüfungen bleiben, forderten beide Redner übereinstimmend. In Sachen Transparenz und Bürgerbeteiligung lasse das Planungsreferat oft zu wünschen übrig, monierten sie zudem. Er fühle sich mitunter "durch Investoren besser informiert als durch die Stadtverwaltung", sagte Weidinger.

Zur Kontroverse um neue Hochhäuser im Südwesten gehört die Feststellung, dass kein gänzlich neues Phänomen verhandelt wird. Siemens-Hochhaus, Deba-Hochhaus, Sparkassen-Hochhaus und die Sternhäuser in der ehemaligen Siemens-Siedlung sind altbekannte Landmarken. Neu diskutiert werden Wohntürme am Isarkanal zwischen Flussufer und dem Klinikcampus, die Arrondierung am Stadtrand im Bereich Appenzeller Straße, die Zukunft der Brachfläche zwischen Machtlfinger und Geisenhausener Straße in Obersendling, eines der größten Bauprojekte im ganzen Südwesten - der Drang in die Höhe, der Vorstoß in neue Dimensionen ist dabei unübersehbar. Die Frage, der man sich derzeit gerade im Münchner Südwesten zu stellen hat, ist, ob es weitere, womöglich noch höhere Gebilde dieser Art braucht, und wem sie eigentlich nützen.

Den schärfsten Kommentar gab dazu Max von Heckel ab, der ehemalige Stadtkämmerer. Die Weiterentwicklung der Stadt in die Höhe sei längst im Gange, konstatierte er. Wobei München der "reinen Illusion" anhänge, alle Menschen unterbringen zu können, die unbedingt an der Isar leben wollen. Mit ihrer Hochhauspolitik fache die Stadt die internationale Bodenspekulation an, mit der Folge, dass Normalverdiener bald keine erschwingliche Mietwohnung mehr fänden und sich schon gar kein Wohneigentum mehr leisten könnten. Die München-Fixiertheit von Investoren hält der ehemalige Kämmerer für einen Fluch. "Nachdem die sich in Berlin, Paris und London ausgetobt haben, suchen sie sich bei uns ein neues Betätigungsfeld", so Heckel.

Es bedarf einer Zügelung der Expansion, um die Baupreise zu bremsen, heißt es

Dass es einer konstruktiven Strukturpolitik auf allen Ebenen bedarf, um die bauliche Expansion zu zügeln und eine Explosion der Bodenpreise zu verhindern, darin waren sich Moderator, Lokalpolitiker und Publikum einig. Auch soll die Stadt mehr Planungsgewinne als bisher abschöpfen. Heiterkeit kam in der ernsten Diskussion nur einmal auf: Als Dorle Baumann, SPD-Fraktionssprecherin im Bezirksausschuss, die Frage aufwarf, ab welcher Gebäudehöhe es für Investoren "ökonomisch uninteressant" wird. Dazu Weidinger: "Das hängt wohl vom Blick in die Alpen ab."

Die von Dieter Klein kuratierte Ausstellung "Schöne Aussichten - wollen wir das? Hochhäuser verändern den Münchner Südwesten" im Bürgersaal Fürstenried läuft noch bis Mittwoch, 2. Februar (geöffnet 15 bis 19 Uhr). Das Programm wird ergänzt durch Filmvorführungen sowie am Dienstag, 1. Februar, durch einen Vortrag des Architekten und Stadtplaners André Perret zum Thema "Auswirkungen der Hochhausstudie auf den Münchner Süden".

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