Süddeutsche Zeitung

Harlaching:Der Eklat als Dauerzustand

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Das Zerwürfnis zweier Politiker wirkt sich auf die Arbeitsfähigkeit des Bezirksausschusses Harlaching-Untergiesing aus

Von Julian Raff, Harlaching

Regelmäßige Besucher im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching (BA 18) erleben den Dauerclinch zwischen dem Gremiumsvorsitzenden Clemens Baumgärtner (CSU) und seiner Vor-Vorgängerin Christa Knappik (SPD) seit Jahren als mitunter erheiterndes Nebengeräusch. Mittlerweile wirkt sich der Konflikt aber auf die Arbeitsfähigkeit des Gremiums aus. Die SPD-Fraktion verließ jetzt gegen 22.40 Uhr geschlossen die Sitzung, nachdem sich Baumgärtner abfällig über das Abstimmungsverhalten geäußert hatte. Das Gremium war damit nicht mehr beschlussfähig, die Sitzung wurde abgebrochen - nur zehn Minuten, nachdem das Lokalgremium in die reguläre Tagesordnung eingetreten war.

Nahezu die gesamte Juli-Agenda bleibt damit vorerst unerledigt. Der Streit entzündete sich an einer geplanten Einwohnerversammlung im Gasthof "Menterschwaige" zum umstrittenen Wohnprojekt am Schilcherweg. Das Gremium erklärte sich auf CSU-Initiative hin bereit, aus dem Budget bis zu 1500 Euro zuzuschießen, falls der vom Gasthof-Wirt geforderte Mindestumsatz nicht zustande kommen sollte. Knappik bezeichnete es als "Ungleichbehandlung zugunsten der Harlachinger", dass der BA nichts für die Einwohnerversammlung zum Sechziger-Stadion in Giesing hatte springen lassen. Dieses Vorgehen lehne die SPD ab; Knappik sprach halblaut von "Klientelwirtschaft".

Obwohl es in seinem Sinne knapp positiv ausgefallen war, bezeichnete Baumgärtner das Abstimmungsergebnis als "Beispiel für eine von Knappik und Genossen typische, destruktive Fundamentalopposition". Allein diese Anmerkung hätte wohl kaum den Anlass für den Protest-Abgang der SPD-Fraktion geliefert. Allerdings hatte BA-Chef Baumgärtner in den vergangenen Monaten kaum eine Gelegenheit ausgelassen, Anträge oder Beiträge der Sozialdemokraten in ähnlichem Duktus zu kommentieren.

Das Hickhack zwischen Knappik, die das Gremium von 1996 bis 2002 geleitet hatte, und Baumgärtner, amtierender BA-Chef seit 2008, reichen weit zurück. Zuletzt hochgekocht waren die Animositäten im Sommer 2014, als Knappik in einem "offenen Brief" Vorwürfe an Baumgärtner erhob, welche dieser empört zurückwies. Seither köchelt der Streit vor sich hin. Den Anlass fürs jüngste Hochkochen des Dauer-Konflikts lieferte im Juni erneut der riesige Hohlraum unterm Wettersteinplatz, ein Überbleibsel vom U-Bahn-Bau. Ein CSU-Antrag forderte zum wiederholten Mal, die unterirdische Brache als Tiefgarage zu nutzen, scheiterte aber in der Abstimmung knapp an den Stimmen von SPD und Grünen. Dem Projekt stehen nach Behördenangaben technische und finanzielle Bedenken entgegen - was Baumgärtner nicht daran hinderte, der SPD und Knappik eine "obstruktive Haltung zum Schaden der Bürger" vorzuwerfen. SPD-Vertreterin Helga Hügenell wurde zudem gefragt, ob sie "alle für bescheuert hält". Es ging um einen SPD-Antrag zum Tierparkzugang.

Mit dem Auszug der Fraktion aus der Sitzung habe man "die Reißleine gezogen", schreibt SPD-Sprecher Michael Sporrer in einer Presseerklärung.

Baumgärtner reklamiert im Gespräch mit der SZ sein Recht, den eigenen Standpunkt auch nach erfolgter Abstimmung deutlich zu machen. Er reagiere damit auch nicht auf Redebeiträge Knappiks, sondern auf deren halblaute Zwischenrufe ins Publikum, die er als Provokation und Angriff auf seine Sitzungsführung werte. Die offenen Punkte der Tagesordnung werde er, soweit termingebunden, quasi kommissarisch selbst abarbeiten, kündigt Baumgärtner an.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2017
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