Süddeutsche Zeitung

Trauerfeier:Wegbegleiter nehmen Abschied von Hannelore Elsner

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"Ich will was spüren und nicht ruhen. Lebe ein zweites Mal, und dann lebe voll und ganz" - in der Jesuitenkirche St. Michael sagen Verwandte, Freunde und Kollegen Adieu zu Schauspielerin Hannelore Elsner.

Von Susanne Hermanski

Eine Trauerfeier für eine Frau, die auf den Tischen tanzte wie wild? Für eine, die den Jungen vormachte, wie das Feiern geht, bis zum Morgengrauen, wenn der neue Tag erwacht? Nun steht ihre Asche dort vorn am Altar, in einer violetten Kugel mit goldenem Band. Neben dieser Urne, ihrer letzten tollen Robe, ein Bild auf dem sie lacht, den Kopf zur Seite geneigt, strahlend, schön. Fast so wie damals, als sie Bernd Eichinger dabei zusah, wie er aus ihrem Schuh Champagner getrunken hat. Das war wenige Meter entfernt von hier, drüben beim Filmball im Bayerischen Hof. Ein ikonischer Moment der deutschen Filmgeschichte, die an solchen nicht sonderlich reich ist.

Überhaupt, Bernd Eichinger. Auch für ihn hat hier in St. Michael, Münchens unwirklich schöner Jesuitenkirche in der Fußgängerzone, die Trauerfeier vor acht Jahren stattgefunden. Auch damals, als der Produzent gestorben war, den sie in ihrer Autobiografie ihren "ewigen Freund" nannte, "der mich kennt in meiner überschäumenden Lebenslust, aber auch in meiner tiefen Melancholie", war die Familie der Filmleute gekommen.

Eine gar nicht so gewaltige Schar ist das, die in den vorderen Reihen Platz genommen hat, gleich hinter und neben Hannelore Elsners Sohn Dominik und ihrem Bruder Berndt. Regisseur Oliver Hirschbiegel ist unter den Gästen, Bernd Eichingers Witwe Katja, die Kollegen Mario Adorf, Michaela May, Elmar Wepper und Michael Brandner.

Hinten ist die Kirche voll von "Verehrerinnen und Verehrern Hannelores", wie Karl Kern sie nennt, der Stadtpfarrer, der auch schon Bernd Eichingers Trauerfeier gehalten hat. Kern, der kluge Jesuit, zitiert viel von dem, was Hannelore Elsner selbst gesagt hat. Etwa: "Trauer ist ein ganz großes Gefühl, das darf man nicht klein machen. Ich denke, man sollte daran wachsen können. Man sollte es wenigstens versuchen." Oder wie die in ihrer Kindheit tief katholisch erzogene Hannelore Elsner ihren Glauben formulierte: "Ich kann in allem das Göttliche sehen und spüren. Es ist in mir und es ist außer mir. Es ist nichts Strafendes, nichts Verlogenes. Es ist etwas hell Scheinendes und etwas Verzeihendes." Und der Pfarrer nützt den günstigen Moment in seinem voll besetzten Haus seinerseits zu einer Geste der Versöhnung mit den Vielen, die der Kirche in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt haben. Dass Hannelore Elsner in ihrer Autobiografie einmal schildert, wie sie im Petersdom Zweifel plagten und sie zögerte, ob sie, die aus der Kirche ausgetreten war, deren Rituale einfach noch mitmachen dürfe, stellte er klar. "Ich hätte ihr einen Schubs gegeben, damit sie es tut."

Profaner, doch nicht weniger herzlich, sind die drei Reden, die auf die Worte des Geistlichen folgen. Doris Dörrie, die in "Kirschblüten - Hanami" ihre Regisseurin war, erzählt noch einmal von den "Legionen von Maskenbildnerinnen", die "Hanni" mit ihrem Perfektionismus in den Wahnsinn trieb. Die dafür aber auch selbst in jeder Szene und jedem Augenblick immer und alles gegeben habe. Und wie sie bei der Abschlussfeier der Dreharbeiten im Sand am Strand tanzte, als sich die anderen alle schon erschöpft zurückzogen.

Iris Berben liest einen Text vor, den sie Hannelore in einer gemeinsamen Drehpause zu schicken versprochen hatte, dies aber in den Turbulenzen des folgenden Alltags dann doch nicht tat: "Die Einladung" der kanadischen Schriftstellerin Oriah Mountain Dreamer. Für Berben seien deren Worte "wie eine Lebensformal, eine Lebensmelodie", die auch Hannelore gefallen hätten. Der Text beginnt: "Es interessiert mich nicht, womit du deinen Lebensunterhalt verdienst, sondern wonach das Innerste in dir schreit."

Tiefsinnige Gespräche in den unpassendsten Momenten

Wonach Hannelore Elsners Innerstes sich sehnte, hatte sie oft erklärt. Auf Bühnen bei Preisverleihungen, in persönlichen Gesprächen. Sie wollte spielen, lieben, leben, und das alles war eins für sie. Daran erinnert auch Florian David Fitz in seiner Rede noch einmal. "Ich war zweimal ihr Sohn, zweimal ihr Regisseur und einmal Jesus", sagt er, und steht dabei gleich neben dem Kruzifix: "Da bin ich in ihren Armen gestorben, und ich könnte mir keine zärtlicheren Arme vorstellen." Sie allein hätte auch die Gabe gehabt, in den unpassendsten Momenten die tiefsinnigsten Gespräche anzufangen. Im Weißwurstkeller beim Filmball beispielsweise.

Da habe sie mit ihm, umtost von der Partymenge, "wie in einem Wurmloch", das sie mal eben zu öffnen vermochte, ganz ernst über Leben und Tod gesprochen. Sie sei sehr krank gewesen, aber einfach noch nicht bereit zu gehen. Um Hilfe habe sie eine Schamanin gebeten. "Und noch bevor ich die Augen darüber verdrehen konnte, rief sie: ,Und es ist alles weg!'" So mancher, der gekommen ist, könnte ähnliche Geschichten erzählen. Der Pianist Sebastian Knauer hat 20 Jahre mit Elsner gearbeitet. Er eröffnet die Feier so, wie sie es sich gewünscht hatte, mit "Air" von Bach, und er beschließt sie mit "Halleluja" von Leonard Cohen.

Wenn es nach Hannelore Elsner geht, darf die Sache freilich so nicht enden. Schöner wäre zum Schluss ein Hinweis auf ihren letzten Film, den sie noch komplett vollenden konnte. Er läuft an Pfingsten zum ersten Mal im Fernsehen. In dieser Komödie, "Der Club der einsamen Herzen", hat sie nicht nur ihre ungewöhnliche physische Ausdruckskraft hinterlassen, sondern auch die Zeilen eines Liedes, das sie darin singt: "Ich will was spüren und nicht ruhen. Lebe ein zweites Mal, und dann lebe voll und ganz. Es ist doch deine Wahl, ob du erstarrst - oder ob du mit mir tanzt."

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Quelle:
SZ vom 01.06.2019
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