Süddeutsche Zeitung

Grundsicherung für Schwerstbehinderten:Erfolgreich gekämpft

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Dem Mann im Rollstuhl ging das Geld aus - weil sich die Stadt an Ferdinand Schießls Vertrag mit der Krankenkasse störte. Nach einem SZ-Bericht zahlt die Stadt dem Schwerstbehinderten nun wieder die Grundsicherung.

Von Christian Krügel

Ferdinand Schießl hatte unruhige Nächte und sorgenvolle Tage in den vergangenen Wochen. Denn der Schwerstbehinderte fürchtete um nichts weniger als sein selbstbestimmtes, freies Leben - für das er aber auf die finanzielle Grundsicherung angewiesen ist. Wegen eines bürokratischen Hickhacks zwischen Krankenversicherung und der Stadt München wurde ihm diese aber nicht mehr gezahlt - bis Freitag.

Denn nachdem die SZ am Donnerstag über den Fall berichtet hatte, teilte das Sozialreferat am Freitag per Pressemitteilung mit, dass es sich mit der Krankenkasse geeinigt habe: "Dem Betroffenen werden die vom städtischen Sozialbürgerhaus gezahlten Pflegeleistungen sowie die Sozialhilfeleistungen selbstverständlich wieder ausbezahlt", heißt es in dem Schreiben.

Die Kinderlähmung hat Ferdinand Schießl an den Rollstuhl gefesselt - ein Schicksal, gegen das der inzwischen 56-Jährige Zeit seines Lebens gekämpft hat. Er hat sich als Leistungssportler beim Rollstuhl-Bundesligisten Munich Animals bewiesen, ist Trainer für die sogenannte Froschatmung, das Atmen ohne Zwerchfell. Und er hatte sich ein selbstbestimmtes Leben organisiert, über das sogenannte Arbeitgeber-Modell.

Das gibt Menschen mit schwerster Behinderung die Möglichkeit, außerhalb von Heimen in eigenen Wohnungen zu leben, indem sie ihre Pfleger als Assistenten anstellen und als deren Arbeitgeber auftreten. Krankenkasse und Kommune finanzieren das Modell. Für den Lebensunterhalt wie Miete und Heizung gibt es daneben die Grundsicherung, wobei die Kommune scharf darauf achtet, dass kein Vermögen anfällt.

Ferdinand Schießl zum Beispiel darf auf seinem Girokonto höchstens 2600 Euro haben. Die Krankenkasse hatte ihren Beitrag zu dem Modell allerdings zweckgebunden auf Schießls Girokonto überwiesen - was die Stadt München als Vermögen des Behinderten interpretierte. Prompt stellte sie alle Zahlungen ein. Laut Sozialreferat habe es deswegen in den vergangenen Tagen "intensive Gespräche" gegeben, um einen Weg aus der bürokratischen Falle zu finden.

Da die Krankenkasse nun versichert habe, dass Schießl wirklich nicht selbst über das Geld verfügen könne, hebe die Stadt den Zahlungsstopp wieder auf, hieß es am Freitag. Die Stadt möchte den Fall nun zum Anlass nehmen, um über den Städtetag eine klarere Regelung für Schwerstbehinderte durchzusetzen und solche Missverständnisse in Zukunft zu vermeiden.

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Quelle:
SZ vom 15.06.2013
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