Süddeutsche Zeitung

Kritik:Wundersame Klangreise

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Der Pianist Grigory Sokolov spielt im Herkulessaal Purcell und Mozart - und das Publikum ist wie gebannt.

Von Harald Eggebrecht

Ein Bann scheint überm Publikum zu liegen, wenn Grigory Sokolov auftritt: Der Herkulessaal bis aufs Podium gefüllt, das Licht heruntergedimmt, der offene Flügel, der herein eilende Meister mit kurzer Verbeugung - der Beifall erstirbt. Nur ja nichts versäumen von diesem einzigartigen Spiel am Steinway, der wie einst bei Arturo Benedetti Michelangeli aufs genaueste gestimmt ist für diesen Abend, diesen Saal.

Sokolov macht wahrlich nichts um sich her, er trägt brav den Berufsfrack, und doch umweht ihn die Aura geheimen Wissens um die Musik, der er näher scheint als alle anderen. Dabei sind die Voraussetzungen denkbar professionell ganz im Sinne des unvergessenen Cellomeisters Janos Starker: "Du musst immer zu hundert Prozent präsent sein im Technischen wie in der Konzentration. Dann kann es vielleicht ab und zu seltene Momente des Darüberhinaus geben." Kein Wunder, dass Sokolov auf Konzerte mit Orchester verzichtet angesichts dürftigster Probenzeiten. Dann lieber allein nach eigenem Gesetz und dem der jeweiligen Musik.

Er bot ein vermeintlich knorrig strenges Programm: Zuerst, nicht von Beifall unterbrochen, neun Stücke des großen Henry Purcell, nach der Pause Wolfgang Amadé Mozarts Sonate KV 333 und das Adagio h-Moll KV 540. Wie Sokolov die triller- und verzierungsreichen, dabei kraftvoll melodischen und rhythmisch charakterscharfen Suiten und Einzelstücke Purcells ausformulierte mit glasklarem spitzen Anschlag und so die Assoziation an kurz Angerissenes weckte, war bezwingend. Die Klangfesselung hielt er vom ersten Ton an unbeirrt durch.

Bei Mozart wurde alles weicher, eloquenter. Kompositorisch hat sich die Welt dramatisch verändert, auch instrumentenmäßig vom Cembalo zum Fortepiano mit elegant schlankem Legato. Besonders das Andante cantabile gelang denkwürdig, und die Abgründe des h-Moll-Adagios vermag wohl keiner so bedingungslos zu ergründen wie Grigory Sokolov. Ovationen, denen er mit sechs Zugaben - zweimal Rameau und Chopin, Rachmaninow und Bach-Siloti - dankte.

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