Süddeutsche Zeitung

Gräfelfing:Das Summen über dem Rauschen

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Der Imkerverein Gräfelfing wurde vor 90 Jahren gegründet und erlebt derzeit einen großen Zulauf. Am Sonntag können Interessierte am Lehrbienenstand über dem Autobahntunnel erleben, wie Honig entsteht

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Unten rauschen die Autos auf der Lindauer Autobahn dahin, oben summen die Bienen: Der Imkerverein Gräfelfing hat seit vergangenem Jahr einen Lehrbienenstand auf dem Autobahntunnel eingerichtet. 1000 Quadratmeter Blumenwiese und 14 Bienenvölker bilden ein wahres Kleinod über dem tosenden Verkehr.

In diesem Jahr wird der Imkerverein 90 Jahre alt und erlebt im Festjahr neuen Aufschwung: Die erste eigene Lehrwiese floriert, die jüngst zur Vorsitzenden gewählte Imkerin und Biologin Annette Rosellen kommt ebenfalls aus Gräfelfing und der Verein erhält großen Zulauf von Bienenfreunden, die Imker werden wollen. Am Sonntag, 19. Mai, lädt der Verein zwischen 14 und 17 Uhr zum Tag der offenen Tür am Lehrbienenstand ein.

Die Verankerung des Vereins in Gräfelfing ist nicht selbstverständlich. Hier haben sich die Imker zwar 1929 zur Vereinsgründung zusammengefunden, doch die Mitglieder kommen schon immer aus der weiten Umgebung, von Starnberg bis nach Fürstenfeldbruck - aus Gräfelfing sind nur zehn Prozent. Die Versammlungen fanden mal hier, mal dort statt. Jetzt laufen in Gräfelfing mit der Wiese und der neuen Vorsitzenden erstmals die Fäden zusammen. Rosellen knüpft mit ihrem Amt an eine Tradition an, schon ihr Großvater war einst Vorsitzender im Imkerverein.

Der Imkerverein hat sich im Kern der Pflege und Züchtung von Bienen verschrieben. Doch nun will er mehr in die Öffentlichkeit gehen. Man will die bienenfreundliche Haltung nutzen, der die Bevölkerung gerade in dem Volksbegehren Artenvielfalt Ausdruck verliehen hat, erklärt Rosellen, die auch Natur- und Umweltpädagogin ist. Und sie will kooperieren: Mit der Gemeinde und Kindergruppen aus Kindergärten und Schulen will sie öffentliche Grünflächen insektenfreundlich und naturnah gestalten. Beim Lehrbienenstand hat das bereits funktioniert. Die Blumenwiesen hat der Verein im vergangenen Jahr mit Kindergartenkindern angesät. "Sie müssen erst lernen, wie eine gesunde Wiese aussieht." Denn bunte Blumenwiesen wie zu Großelternzeiten kennen sie gar nicht.

Samstags ist auf der Lehrwiese im Frühling Jungimkerausbildung. Der stellvertretende Vorsitzende Anton Niest siedelt an diesem Samstag einen Schwarm in einen Bienenstock um. Das Imkern - das früher als Altherrenhobby galt - erlebt gerade großen Zulauf und eine Verjüngung, wie man an den Jungimkern auf der Wiese sieht. Zunehmend junge Leute wollen die Bienenpflege erlernen, und auch mehr Frauen interessieren sich, sagt Uschi Grünenwald, Mitglied des Vorstands. Den Jungimkern geht es dabei nicht primär um die Honiggewinnung, sondern "sie wollen etwas für die Bienen tun", hat Rosellen beobachtet.

Das neue Imker-Image verkörpert Katrin Kühlewein aus Großhadern, die vergangenes Jahr mit dem Imkern angefangen hat: "Imkern ist das neue Yoga", meint sie lachend. Imkern sei entspannend, das Bewusstsein für die Natur wachse und die Bienenstockluft einzuatmen sei obendrein gesund für die Atemwege. Am Tag der offenen Tür (Zugang zum Lehrbienenstand über die Rudolfstraße) können Besucher sich inspirieren lassen und lernen, was eine Krimmerwiese ist, wie oft eine Biene für ein Glas Honig ausfliegen muss und wie es in einem Bienenstock aussieht.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2019
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