Süddeutsche Zeitung

Gräfelfing:Allen stinkt der Lärm

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Auf der Bürgerversammlung in Gräfelfing wird klar, dass die Verkehrsbelastung durch Autobahn und Durchgangsstraßen nicht länger hingenommen werden. Bürgermeisterin Wüst dämpft viele Hoffnungen

Von Annette Jäger, Gräfelfing

In Gräfelfing ist vieles vom Feinsten: Die 187 Flüchtlinge werden bestens von ehrenamtlichen Helfern betreut, die Kinderbetreuung ist mit 1239 Plätzen auf Top-Niveau, auf dem Schulcampus entsteht demnächst eine Dreifachturnhalle mit Schwimmbad. Und das boomende Gewerbe spült Jahr für Jahr für das Würmtal vergleichsweise astronomische Summen in die Gemeindekasse - aktueller Stand für 2016: 48 Millionen Euro. Und so beschrieb Landrat Christoph Göbel (CSU), der selbst in Gräfelfing wohnt, die Gemeinde während der Bürgerversammlung am Donnerstag als "eine der prosperierendsten Regionen Europas".

Wäre da nicht ein Makel, denn: Über allem schwebt eine Glocke aus Lärm. Lärm, den der immense Verkehr verursacht, der sich täglich über die Autobahn A 96 wälzt, der auf Pasinger- und Planegger Straße Tag und Nacht unterwegs ist. Die Bürger sind verärgert, verzweifelt und fühlen sich alleine gelassen mit dem Problem.

Bevor allerdings die eigentlichen Hauptpersonen des Abends - die Bürger - Anregungen, Sorgen oder Kritik anmelden konnten, mussten sie sich lange gedulden. Stolze zwei Stunden verschlang der Erfolgsbericht aus dem Rathaus, bei dem Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing/IGG) alle Abteilungsleiter ihrer Verwaltung auftreten ließ. Erst dann rückte schließlich mit den Wortmeldungen der Bürger die Verkehrsbelastung in den Mittelpunkt.

"Gemacht wird gar nichts, das ist uns zu wenig", klagte eine Bürgerin. Die Planegger-, Pasinger- und Würmtalstraße, allesamt Staatsstraßen, verursachten enormen Lärm. Vor allem auf der Pasinger Straße staut sich der Schilderung nach der Verkehr oft bis zum Caritas-Altenheim, der Schwerlastverkehr habe zugenommen, genauso die Feinstaubbelastung. "Wir zucken zusammen, wenn wir hören, dass das Gewerbegebiet vergrößert werden soll", sagte Zuhörer Klaus Saller in diesem Zusammenhang. Seit die Umgehungsstraße 2013 per Bürgerentscheid abgelehnt wurde, sei nichts mehr geschehen. "Bauen Sie endlich die Entlastungsstraße", forderte ein Bürger und meinte damit die im Bauausschuss bereits diskutierte kleine Umgehungsstraße, die am Gewerbegebiet vorbeiführen und die Pasinger Straße entlasten könnte.

Die Lindauer Autobahn A 96 verursacht nicht weniger Unmut. Eine Besucherin klagte über regelmäßige lautstarke nächtliche Auto- und Motorradrennen. Zuhörer Reinhard Fritz warf der Bürgermeisterin vor, den Schallschutz in ihr Wahlprogramm geschrieben zu haben, aber nichts dafür zu unternehmen. Es sei "zynisch" zu warten, bis der Verkehr so zunehme, dass die Autobahndirektion gezwungen sei, eine weitere Fahrspur zu bauen, wie Wüst es in ihrem Bericht dargelegt hatte. Denn erst dann würde die Behörde Schallschutzmaßnahmen mitfinanzieren. Er forderte einen runden Tisch, um die "Kräfte zu bündeln" und wandte sich an den Landrat: "Wir brauchen Sie, Herr Göbel". Der Landrat solle seine politischen Kontakte nutzen, um mit Ministerien und der Autobahndirektion ins Gespräch zu kommen.

Inzwischen organisieren sich die Bürger selbst, das wurde bei der Versammlung deutlich: Gegen den Autobahnlärm gibt es eine Unterschriftenaktion und in punkto Staatsstraßen hat sich vor Kurzem eine Bürgerinitiative gegründet, um geschlossen gegen den Lärm anzutreten. Sie fordert eine schnelle Umsetzung des von der Gemeinde aufgelegten Lärmaktionsplans, dazu gehören Tempo 30 nächstens auf der Pasinger Straße und Flüsterasphalt als erste Maßnahmen.

Bürgermeisterin Wüst bremste allerdings so manche Hoffnung ein: "Sie überschätzen die Möglichkeiten der Kommune." In Lärmfragen sei die Gemeinde auf die Autobahndirektion oder das Straßenbauamt angewiesen. Eine Schallschutzuntersuchung habe zudem ergeben, dass nur an zwei Stellen der Pasinger Straße der Lärm als belastend eingestuft wird: "Das liegt an den hohen gesetzlichen Grenzwerten." Für Lärmschutzwände fehle der Platz und für die Entlastungsstraße gebe es derzeit keine politische Mehrheit im Gemeinderat. Dennoch sagte sie an dem Abend der neuen Bürgerinitiative den gewünschten runden Tisch mit Vertretern des Straßenbauamts, des Landratsamtes und der Gemeinde zu.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2016
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