Süddeutsche Zeitung

Gmund:Drei Stunden vom Tegernsee nach München: Ausflügler legen Bahn-Betrieb lahm

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Weil zu viele Menschen in den Zug drängen, bleibt die BOB am Tegernsee stehen. Der Zugführer muss die Polizei rufen.

Von Matthias Köpf, Gmund

Schön wäre es vielleicht anderswo auch, aber der Tegernsee hat aus der Münchner Landpartie-Perspektive den zusätzlichen Vorteil, dass er keine 60 Kilometer und meistens auch nicht viel mehr als eine Stunde entfernt liegt. An besonders vielversprechenden Wochenenden wie dem vergangenen klappt das mit der guten Stunde eher im Zug als im Auto, doch am Samstagabend ist unter dem Andrang der Ausflügler auch der Betrieb der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) zusammengebrochen. Am Bahnhof in Gmund kam es zu chaotischen Szenen, die Polizei hatte Mühe, die Lage zu beruhigen.

Um 20.15 Uhr erreichte die Polizeiinspektion in Bad Wiessee nach eigenen Angaben ein Hilferuf der BOB vom Gmunder Bahnhof. Der Zug sei mit Passagieren und Fahrrädern völlig überfüllt, doch die Passagiere weigerten sich auszusteigen, während weitere unbedingt noch hineinwollten. Obwohl der Zug unter diesen Umständen wie in einer Sardinenbüchse ohnehin nicht weiterfahren würde, konnten auch die beiden Streifenbesatzungen aus Bad Wiessee und ihre ebenfalls alarmierten Kollegen von der Bundespolizei niemanden zum Aussteigen bewegen. Stattdessen kam es laut Polizei zu Streitigkeiten unter den Fahrgästen. Erst als die BOB gegen 21.30 Uhr Ersatzbusse vorfahren ließ, beruhigte sich die Lage. Auch der Zug, der laut Fahrplan um 20.53 Uhr in München hätte ankommen sollen, setzte sich endlich wieder in Bewegung.

Ein Fahrgast, der nach eigenen Angaben schon bei der recht pünktlichen Abfahrt um 19.53 Uhr in Tegernsee im Zug saß und erst um 23 Uhr in München ankam, schildert den Abend im Zug auch als Informationsdebakel. Demnach sind er selbst und andere Passagiere auch deswegen nicht ausgestiegen, weil es keine Durchsagen zu dem Ersatzbus gegeben habe. Der erste Halt in Gmund habe sich immer weiter und weiter hingezogen, bis sich die Fahrgäste irgendwann selbst am Bahnsteig auf die Suche nach dem Grund machten. Obwohl eine Mitarbeiterin eines privaten Sicherheitsdienstes ausweislich ihrer gelben Warnweste als "Radlkoordinatorin" im Einsatz war, blockierten die vielen in die Bahn gewuchteten Fahrräder die Fluchtwege und auch einen Sitzplatz für einen Mitreisenden im Rollstuhl.

Die erste Durchsage hat es nach Angaben des Passagiers erst gegeben, nachdem der Zug schon mindestens 20 Minuten im Bahnhof gestanden sei: Man könne wegen Überfüllung nicht weiterfahren und warte auf die Polizei. Später hätten Polizisten persönlich Fahrräder aus den Zug geschafft. Zu ähnlichen Problemen wie am Samstag kommt es an ähnlich ausflugsträchtigen Tagen immer wieder. Die BOB selbst hat nach eigener Darstellung am Samstag so schnell wie möglich reagiert und für Busse gesorgt. Man bedauere die neuerlichen Probleme und werde Schlüsse daraus ziehen. Unter anderem will das Unternehmen demnach intensiver mit Fahrradverleihern am Tegernsee zusammenarbeiten, um im Zug weniger Räder transportieren zu müssen.

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Quelle:
SZ vom 01.08.2016
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