Süddeutsche Zeitung

Giesing:Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

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Dem drohenden Abstieg in die dritte Liga und damit der Rückkehr des TSV 1860 in das Stadion an der Grünwalder Straße sehen viele Anwohner mit Sorge entgegen. Der Bezirksausschuss plant nun eine Einwohnerversammlung

Von Julian Raff, Giesing

Dem drohenden Abstieg in die dritte Liga sieht mancher Giesinger Löwen-Fan wohl mit bittersüßem Bangen ins Auge, bringt das doch die Option mit sich, wieder ins Sechzger-Stadion an der Grünwalder Straße zu ziehen, also in die alte sportliche Heimat unweit des Vereinsgeländes. Gemischte Gefühle haben bei dieser Vorstellung auch die Nachbarn des Stadions. Neue Skepsis schürte dann am Ostermontag ein Amateur-Derby zwischen den Zweitmannschaften von TSV 1860 und FC Bayern, das von einem massiven Polizeiaufgebot von 1200 teils martialisch ausgerüsteten Beamten begleitet wurde.

Der Bezirksausschuss (BA) 18 greift die Bürgerbedenken auf und plant eine Einwohnerversammlung zu diesem Thema, an der sich das Nachbargremium aus dem 17. Stadtbezirk (Obergiesing) beteiligen soll. Aus seinem bereits deutlich angegriffenen Budget macht der BA laut einstimmigem Beschluss hierfür 2000 Euro locker. Die Versammlung soll wegen des zu erwartenden Andranges in der Turnhalle an der Säbener Straße stattfinden, der größten Versammlungsstätte im Bezirk; ein Termin steht noch nicht fest. Der BA-Vorsitzende Clemens Baumgärtner (CSU) berichtete von regelmäßigen Beschwerden über zugeparkte Straßen, Lärm, Müll und allerlei Verschmutzungen in den umliegenden Vorgärten. Aus gutem Grund warb daher Markus Rejek, der kaufmännische Geschäftsführer des Vereins, schon mal vorsorglich um Verständnis. Man werde sich verstärkt dafür einsetzen, Belästigungen gering zu halten und in diesem Zusammenhang auch auf die eigenen Anhänger einwirken. Schwerer im Zaum zu halten seien natürlich die Hooligans unter den angereisten gegnerischen Fans und Krawalltouristen ganz allgemein, wie Rejek einräumte.

Um gut Wetter bemüht sich auch der Verein "Freunde des Sechzger Stadions" In einem offenen Brief legt der Vorsitzende Markus Drees ausführlich dar, warum das Amateurderby keine Blaupause für den eventuellen Drittliga-Spielbetrieb abgibt: Das Polizeiaufgebot habe sich im Nachhinein als übertrieben herausgestellt, 400 Polizisten hätten, wie beim Derby im August 2014, völlig genügt.

Für Drees eine politisch motivierte Überreaktion, im Brief heißt es: "Für uns ist es offensichtlich, dass die Akzeptanz von Fußballspielen im Sechzger-Stadion in der öffentlichen Wahrnehmung negativ beeinflusst werden soll, um zu suggerieren, dass dort Spiele der dritten oder gar der zweiten Bundesliga nicht mehr stattfinden können." Immerhin habe die Polizei anreisende Fangruppen über verschiedene U-Bahnhöfe dirigiert und so separieren können.

Bei der Abreise seien Löwen-Fans dann aber erst über unnötige Umwege zur U-Bahn Silberhornstraße geleitet und auf dem Weg von der Polizei "äußerst unfreundlich" behandelt worden. Bei alldem bleibe das Derby als "einzige Gelegenheit im Erwachsenenfußball, bei der sich die beiden Stadtvereine messen können", eine "rare Ausnahme", so Drees. Im Drittliga-Betrieb müssten dagegen laut DFB-Statuten nur zehn Prozent der Karten den Gästefans zur Verfügung gestellt werden. Dies dürfte die Trennung der Gruppen erleichtern - abgesehen davon, dass die Mehrheit der angereisten Anhänger eher schnell abreisen wolle, als durchs Viertel zu ziehen. Dennoch seien regelrechte Fanmärsche durch die Stadt ein zunehmendes Phänomen, bei dem es sich aber nicht um eine Giesinger Erfindung handele.

Dass ein Amateur-Derby kein Maßstab für eventuelle Drittliga-Spiele sei und besonderen Aufwand erfordere, räumte auch Michael Dibowski, Leiter der Polizeiinspektion Giesing, ein. Bei den Themen Fantrennung, Lärmschutz und Verkehr gibt es aber auch aus Sicht der Polizei noch viel Diskussionsbedarf - während der Bürgerversammlung und an einem runden Tisch, wie ihn die Stadionfreunde fordern.

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SZ vom 22.05.2015
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